TAB für saubere Meere - MVA Kiel

Die Müllverbrennung Kiel unterstützt ein Forschungsprogramm zur Auswirkung von Plastik auf Meeresorganismen.

helm_q.jpgGerade in Asien und Afrika würden mehr thermische Anlagen mehr Meeresschutz bedeuten.

Endlich ist das Thema „Plastikmüll im Meer“ auch im Mainstream angekommen: Hippe Radiosender geben Tipps, wie in privaten Haushalten Plastikmüll vermieden werden kann, und der Bundespräsident warnt bei einer Auslandsreise nach Ecuador vor dem Moment, in dem mehr Plastikmüll als Fisch im Meer schwimmt. Und im März 2019 fand in Nairobi eine Umweltkonferenz der Vereinten Nationen statt, auf der ein UN-Abkommen „gegen die Plastikflut“ diskutiert wurde. Mit der Reduzierung und dem Ersatz von Einweg-Kaffeebechern und anderen Kunststoffartikeln ist man in Deutschland auf einem richtigen Weg – aber sind diese Produkte das entscheidende Problem für die Weltmeere?

Seit 2013 fördert die Müllverbrennung Kiel (MVK) ein internationales Forschungs- und Ausbildungsprogramm am GEOMAR, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Der Name: GAME, Globaler Ansatz durch Modulare Experimente. In weltweiten Studien werden die Folgen des globalen Wandels für Meeresökosysteme erforscht. Dabei ging es in bislang drei, jeweils zehn Monate dauernden Forschungsprojekten um den Eintrag von Kunststoffen in die Meeresumwelt. Im Rahmen des Programms führen jedes Jahr bis zu acht binationale Studierenden-Teams an verschiedenen Standorten auf der ganzen Welt Experimente durch. Im März jeden Jahres werden sie am GEOMAR in Kiel auf ihren Einsatz vorbereitet und reisen dann für sechs Monate an ihren jeweiligen Einsatzort in einem der Partnerländer. Anschließend werten sie die Ergebnisse gemeinsam in Kiel aus und stellen diese dann im Dezember an Universitäten und Forschungsinstituten in Norddeutschland vor. Die MVK übernimmt pro Jahrgang für eine Studentin oder einen Studenten das Stipendium, das seine oder ihre Teilnahme ermöglicht.

kästchen-q.jpgExperimente mit Muscheln
Die starke Meeresverschmutzung durch Makro- und Mikroplastik macht vor den Küstengewässern nicht Halt und die Kunststoffmengen nehmen weltweit zu. 2019 untersuchen die GAME-Teams in Brasilien, Chile, Israel, Portugal, Japan, Cabo Verde, Australien, Südafrika und Indonesien, ob Mikroplastik für die marine Umwelt etwas grundlegend Neues ist oder lediglich eine weitere Verschmutzungsform darstellt, an die sich beispielsweise Muscheln oder andere Organismen entsprechend anpassen können. Dafür werden die Studierenden mit verschiedenen Muschelarten sowie parallel mit Mikroplastikpartikeln und mindestens einem natürlichen Vergleichsmaterial
experimentieren. „Die eingesetzten Materialien werden dabei an allen Standorten die gleichen sein“, erläutert Dr. Mark Lenz, langjähriger wissenschaftlicher GAME-Koordinator. „Am Ende der Auswertung werden wir erkennen können, ob ein grundlegender Unterschied in der Wirkweise von Mikroplastik im Vergleich zu den natürlichen Partikeln vorliegt. Das Ergebnis ist relevant, um Mikroplastik als Verschmutzungsform in aquatischen Systemen beurteilen zu können“, so Dr. Lenz weiter.

Während der Auslandsphase müssen sich die Studierenden vor Ort als Wissenschaftler beweisen und die Experimente auch unter manchmal schwierigen Bedingungen durchführen. „Das können fehlende Einrichtungsgegenstände im Labor oder Verständigungsschwierigkeiten mit dem Projektpartner sein“, berichtet Mark Lenz schmunzelnd. „Eine frühere Stipendiatin berichtete begeistert, wie sehr sie von Land und Leuten in Israel beeindruckt war. Sie bezeichnete diese Forschungsreise für sich persönlich und auch wissenschaftlich als einen Schatz von großem Wert“, erinnert sich Dr. Frank Ehlers, Geschäftsführer der MVK und ITAD-Vorstandsmitglied,
an ein Treffen mit der jungen Wissenschaftlerin bei einer GAME-Netzwerkveranstaltung.

Gemeinsame Ausstellung von GEOMAR und MVK
Der langjährige Austausch mit der MVK führte zu einer gemeinsamen Ausstellung im Kieler Rathaus: Das GEOMAR informierte über Ausmaß und Folgen der Kunststoffeinträge in die Meere; die MVK stellte die thermische Verwertung der Kunststoffabfälle mit Strom- und Wärmegewinnung sowie mit der Erzeugung von Sekundärrohstoffen vor.

„Wir wollen ins öffentliche Bewusstsein bringen, dass die Nutzung von Kunststoffen zwingend ein geordnetes Abfallmanagement mit integrierter thermischer Abfallbehandlung erfordert, wenn die weitere Verschmutzung der Meere verhindert werden soll. Gelangen die Kunststoffe ins Meer, dann ist es nahezu ausgeschlossen, eine dauerhafte Verunreinigung und Gefährdung der Meere zu verhindern“, sagt Dr. Ehlers. Insbesondere in Asien, Afrika und Mittel- und Südamerika sei das Problem massiv sichtbar, wenn dort Haushaltsmüll von ungesicherten Deponien in Flüsse oder aus Siedlungsgebieten direkt ins Meer verweht werde. Ganze Küstenstreifen oder
sand_q.jpgauch Flussmündungen sind dort teilweise flächendeckend mit Kunststoffabfällen verschmutzt.

Die CSR-Strategie der MVK
Seit einigen Jahren wird in der Öffentlichkeit zunehmend die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) von Wirtschaftsunternehmen gestellt. Das GAME-Programm passt sehr gut in die CSR-Strategie der MVK, die unter anderem auf Nachhaltigkeit und Förderung von jungen Menschen ausgerichtet ist. „Wir wissen um das ungelöste Problem der Müllentsorgung, und wir sind überzeugt davon, dass es nur mit Vermeidung, Recycling, gesicherter Deponierung und eben umweltschonender thermischer Abfallbehandlung zusammen gelingt, mit den anfallenden Abfallstoffen umweltgerecht umzugehen“, erklärt der MVK-Geschäftsführer.

Thermische Abfallbehandlung in Addis Abeba
In Deutschland wie auch in anderen europäischen Staaten ist das Abfallmanagement gut aufgestellt. Große Kunststoffartikel wie Wasserflaschen, Einweg-Kaffeebecher oder Plastikgeschirr werden weitestgehend ordnungsgemäß erfasst und erneut genutzt, recycelt oder thermisch verwertet. Kunststoffeinträge in die Umwelt erfolgen in Deutschland jedoch beispielsweise durch die land- und forstwirtschaftliche Nutzung der Gärreste aus Bioabfallbehandlungsanlagen, die noch bis 2029 gestattete landwirtschaftliche Nutzung von Klärschlämmen oder indirekt durch Umgehung der ordnungsgemäßen Entsorgungswege im Ausland.

Dr. Ehlers fasst zusammen: „An vielen Orten wird aktuell ‚Zero Waste‘ als politisches Ziel formuliert. Faktum ist jedoch, dass bereits heute große Mengen an Kunststoffen unumkehrbar in die Umwelt eingebracht wurden und dass in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland und weltweit weiter große Mengen an Kunststoffabfällen anfallen werden. Wissenschaftliche Forschungsprojekte wie das GAME-Programm helfen uns, die Auswirkungen der Einträge auf die Nahrungskette und das Lebensumfeld der Menschen zu verstehen. Und moderne Thermische Abfallbehandlungsanlagen sorgen für eine umweltschonende Kunststoffverwertung mit der Erzeugung von Strom, Wärme und Kälte – wie zum Beispiel in Kiel und seit 2018 auch in Addis Abeba.

aus: ITAD-Jahrbuch 2018.
von: Gesa Gaedeke, MV Kiel