Die Entwicklung der Abfallverbrennung

Allgemeine Entwicklung (von J. Vehlow)

Solange Menschen in größeren Siedlungen leben, ist die Entsorgung ihrer Abfälle, besonders deren organischer Komponenten, ein Problem. War es zunächst nur die Geruchsbelästigung, so wurde bald klar, dass die bloße Ablagerung auch eine Gefährdung der Versorgung mit sauberem Wasser darstellt. So wird in der Bibel berichtet, dass bereits zur Zeit der Nachfolger Salomons, also etwa um 1000 vor Christus, in Jerusalem das Abfallproblem durch Müllverbrennung gelöst wurde: aus einem Stadttor, das noch heute Dungtor heißt, wurde der Abfall an den Bach Kidron gebracht, wo er in einem ständig unterhaltenen Feuer verbrannt wurde [1]. Die Asche wurde auf dem Ölberg oder den Feldern von Bethlehem verstreut und somit verwertet. Auch im Industal und später im Römischen Reich wurde der Abfallentsorgung große Aufmerksam- keit gewidmet. Allerdings gerieten alle Errungenschaften auf diesem Gebiet mit dem Verfall des Römischen Reiches im Mittelalter in die völlige Vergessenheit. In den inzwischen meistens kleinen europäischen Städten wurde der Müll aus dem Fenster auf die Straße geworfen , von wo ihn der Regen aus der Stadt spülte, höchstens aber wurde er vor der Stadtmauer abgelagert. So stapelte sich um 1400 der Abfall vor den Mauern von Paris so hoch, dass er die Verteidigung der Stadt behinderte [2].

Im 16. Jahrhundert rollte eine Serie von Seuchen wie Pest und Cholera über Europa hinweg, weite Bereiche wurden praktisch entvölkert. Vereinzelt kam der Gedanke auf, dass der sorglose Umgang mit Müll und die mangelnde Hygiene einen direkten Einfluss auf die Epidemien haben könnte, wie der Physicus Dr. Johannes Bökel 1507 während einer Pestepidemie in Deutschland in seiner 'Pestordnung für Hamburg' andeutete[3]. Diese Pestordnung veranlasste andere europäische Städte, ihreAbfallablagerung zu reorganisieren, nicht jedoch Hamburg. Hier bedurfte es einer weiteren Epidemie um 1597 um eine kontrollierte Abfallentsorgung einzuführen: Gefangene sammelten den Abfall ein und transportierten ihn in die umliegenden Dörfer, wo er als Dünger auf den Feldern verwendet wurde. Diese Art der Abfallentsorgung etablierte sich neben der einfachen Ablagerung auf 'Müllkippen' als Standardmethode bis weit in das Industriezeitalter hinein. Je größere aber die Städte mit der Zeit wurden, desto schwieriger war es, den Müll in der Nähe unterzubringen. Die Geruchsbelästigung und der Verdacht, dass diese Art der Entsorgung der Hygiene und eventuell der Gesundheit nicht zuträglich sein könnte, gaben Anlass, nach anderen und vor allem nach industriellen Behandlungsmöglichkeiten zu suchen. So wurde in 1874 in Nottingham die erste Abfallverbrennungsanlage, der 'Destructor', in Betrieb genommen, andere Städte wie London und Manchester folgten schnell. Obwohl der geringe Brennwert des Abfalls zu niedrigen erbrennungstemperaturen führte, der unvollständige Ausbrand Geruchsbelästigungen mit sich brachte und die Anlagen mitten in den Städten standen, insistierten besonders die Ärzte, dass diese Unannehmlichkeiten hinzunehmen seien, da die Ablagerung unbehan- delten Mülls erheblich gesundheitsgefährdender sei [4]. Bereits bei diesen ersten Anlagen wurde zum Teil auch Wärme abgegeben um die hohen Kosten für Konstruktion und Betrieb zu reduzieren. Die Entdeckung des Cholera-Bakteriums durch Robert Koch im Jahre 1884 und eine weitere Cholera-Epidemie in Deutschland führten schließlich auch in Hamburg zum Bau der ersten Abfallverbrennungsanlage auf dem europäischen Festland.

bullerdeich.jpgAnlage Hamburg Bullerdeich mit Verwaltungsgebäude, 1894

Obwohl diese zunächst wenig Aufmerksamkeit erregte, kam es bald zu Protestaktionen, die den Bau von Anlagen in weiteren europäischen Städten um Jahre verzögerten. Ähnlich wie in Deutschland vollzog sich die Ent- wicklung in Nordamerika. 1885 baute New York eine Verbrennungsanlage auf Governor's Island und andere Städte folgten dem Beispiel. 1909 jedoch wur- den mehr als 100 Verbrennungsanlagen geschlossen wegen Geruchsbelästigung [5]. Auch Japan mit sei- ner dichten Besiedlung setzte früh auf Abfall- verbrennung und errichtete die erste Anlage 1897 in Tsuruga [6]. Allerdings ist hier eine ständige Weiterentwicklung zu verzeichnen. Da der Engpass an Deponieraum weiter stieg, erfuhr in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Abfallverbrennung in mehreren euro- päischen Großstädten trotz der schlechten Erfah- rungen mit den ersten Anlagen erneut Befürworter und es wurde eine neue Anlagengeneration eingeführt, die gegenüber der alten eine Reihe von technischen Fortschritten aufwies [3, 4]:

  • es wurde Strom erzeugt, und zwar als Betrieb der Anlage notwendig war,
  • von einigen Anlagen wurde außerdem Wärme abgegeben,
  • die Schlacke wurde zum Teil im Straßenbau eingesetzt, zum Teil zu Steinen verarbeitet, und
  • die Flugaschen dienten als Füllmaterial für Decken und Wände.

Hier ist besonders die Abfallverbrennung in Frederiksberg, heute Teil Kopenhagens, hervorzuheben (siehe Abb. 4), die 1903 in Betrieb genommen wurde und eine der ersten Anlagen mit Kraft- Wärme-Kopplung war. Ein Teil des erzeugten Dampfes wurde verstromt, ein Teil als Wärme über Tunnel an ein neben der Anlage errichtetes Krankenhaus, ein Kinderheim und ein Armenhaus abgegeben. Außerdem wurde die Schlacke zu Steinen verarbeitet, die im Bauwesen Verwendung. Der erste Weltkrieg brachte in Europa eine Zäsur. Die hohen Kosten und der energieärmere Abfall führten zur Stilllegung fast aller Anlagen und der Rückkehr zur Deponierung. Nur vereinzelt war es möglich, die Heizwertrückgang durch Zufeuerung von Kohle zu kompensieren. Die Situation än- derte sich grundlegend erst in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Eine rapide wachsende Be- völkerung und der wirtschaftliche Aufschwung führten zum anfangs zögerlichen Bau neuer Anla- gen in Europa. Einen wesentlichen Anteil dürfte der wachsende Gebrauch an Kunststoffen in allen Bereichen unseres Lebens gewesen sein, der zu einer deutlichen Erhöhung des Heizwerts von Hausmüll führte, wie Abb. 6 an Hand von Daten aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich ausweist [7].

In Europa, besonders in der Schweiz, den Nieder- landen, Dänemark und Deutschland begannen die Ballungszentren wegen des Engpasses an Depo- nieraum vermehrt auf Abfallverbrennung zu set- zen. In etlichen Städten wurden Fernheiznetzwer- ke eingerichtet, die von Abfallverbrennungsanla- gen beliefert wurden. Einige Länder, allen voran Japan, in geringerem Maße auch Frankreich und die USA, folgten früh- zeitig dem Prinzip, den Abfall möglichst nah an seiner Quelle zu entsorgen. Es wurden größere Gebäudekomplexe und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser mit Klein- und Kleinstverbrennungsanlagen ausgerüstet, die auch zur Gebäudeheizung genutzt wurden. Nach Schät- zungen liefen in den frühen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in Japan ca. 200 000 solcher Müllöfen, die natürlich alle im Chargenbetrieb arbeiteten. Daneben existierten Großanlagen, die ebenfalls nicht kontinuierlich betrieben wurden. War Japan ein Extremfall, so wurde eine ähnliche Tendenz zeitweilig auch in anderen Ländern beobachtet. So waren in New York Jahre im Jahr 1963 ebenfalls stattliche 17000 Verbrennungsanla- gen in Gebäuden und 22 Großanlagen in Betrieb [8]. In der Aufbruchzeit in den 50er und 60er Jahren war die Beseitigung – möglichst unter Energie- gewinnung - das Leitmotiv der Abfallverbrennung. Der Deponieraum war knapp und teuer, der Durchsatz musste erhöht werden und der Begriff 'Umweltverträglichkeit' war noch nicht erfunden. In den 70er Jahren gab es einen Aufschwung für die Abfallverbrennung zumindest in den USA: als Auswirkung der ersten Erdölkrise wurde ein umfangreiches Programm 'Waste to Energy' gestartet, dessen Finanzierung aber bald wieder gestoppt wurde, nachdem der Schock verflogen und der Öl- preis wieder akzeptable Werte erreicht hatte. Ein weiteres Ereignis in dieser Zeit erwies sich allerdings für die Situation der Abfallverbrennung von entscheidender Bedeutung: das Seveso-Unglück mit seiner Freisetzung großer Dioxinmengen [9]. Bei den folgenden Forschungen nach Dioxinquellen wurden in den Filterstäuben holländischer Verbrennungsanlagen nicht unbeträchtliche Mengen an polychlorierten Dibenzo-p-dioxinen und Dibenzofuranen entdeckt [10]. Waren in Deutschland bereits 1976 mit der ersten TA Luft erste Einschränkungen der Staubemission verfügt worden, so rückte ab ca. 1980 der Aspekt der Emissionen an Schadgasen und vor allem an Dioxinen mehr und mehr in den Vordergrund. In den 80er Jahren wurden weltweit schärfere Emissionsstandards erarbeit und zum Teil bereits eingeführt. Damit einher gingen umfangreiche Forschungsaktivitäten, die sich der Aufklärung der physikalisch-chemischen Vorgänge in Verbrennungsanlagen widmeten und zum Ziel hatten, die Emissionen zu reduzieren und auch die Qualität der Rostaschen zu verbessern. Diese Aufgaben wurden in kurzer Zeit sehr erfolgreich abgearbeitet und die Erkenntnisse sofort in die Praxis umge- setzt, so dass die schließlich in den folgenden Jahren erlassenen und im Prinzip weltweit einheitlich gültigen Emissionswerte sofort von allen Neuanlagen und mit einer Übergangsfrist nach Aufrüstung auch von den Altanlagen eingehalten werden konnten. Der Druck der gesetzlichen Auflagen, in Deutschland die ursprünglich 1991 erlassene und 2003 re- vidierte 17. BImSchV [11] und in der EU die Waste Incineration Directive [12] von 2000 führten in der ersten Zeit zu sub-optimalen und teuren Lösungen: das Gasreinigungssystem wurde durch wei- tere Komponenten zur sicheren Abreinigung einzelner Komponenten wie den Dioxinen, Stickoxi- den oder Quecksilber ergänzt, so dass um 1995 vor allem deutsche Verbrennungsanlagen einer chemischen Fabrik mit vorgeschaltetem Ofen ähnelten. Die Folge dieser Entwicklung waren vor allem in Deutschland enorme Kosten, gegen die die Bür ger, die trotz fortlaufend verkündeter neuer Weltrekorde im Bereich der Emissionen am Kamin in der Mehrzahl keine Freunde der Müllverbrennung geworden waren, nicht zu tragen bereit waren. Daher bestand in der Zeit um den Jahrtausendwechsel die Aufgabe vor allem darin, den Aufwand der Abfallverbrennung zu vereinfachen und die Kosten zu senken. Eine weitere Entwicklung, die der Abfallverbrennung Auftrieb gab, war die in den letzten Jahrzehnten wachsende Erkenntnis, dass unbehandelter und damit in der Regel reaktiver Hausmüll wegen der Klimawirksamkeit der Emissionen und des Risikos der Grundwasserkontamination nicht depo niert werden sollte. In Deutschland fand diese Erkenntnis bereits 1993 mit der TA Siedlungsabfall Eingang in das gesetzliche Regelwerk [13]. Eine zügige Umsetzung wurde allerdings durch die lan- ge Übergangszeit von 12 Jahren behindert. Im europäischen Rahmen gibt die Landfill Directive Vorgaben für einen schrittweisen Ausstieg aus der Deponierung unbehandelten Abfalls [14]. Das erste Land, das diese Regelungen umsetzte, war die Schweiz, in der seit dem 1. 1. 2000 alle Abfälle verbrannt werden müssen, für die keine Verwertung möglich ist. Deutschland folgte mit der endgültigen Einführung der TA Siedlungsabfall am 1. 6. 2005.

Entwicklung der Anlagentechnik (Büchner)

Einleitung

Die Abfallwirtschaft in Deutschland hat sich im letzten Jahrzehnt, nach Einführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes erheblich gewandelt. Heute leistet die Abfallwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zu Ressourcenschonung und Umweltschutz. Die thermische Abfallbehandlung ist, nach Inkrafttreten des Deponierungsverbotes für unbehandelte Siedlungsabfälle, von zentraler Bedeutung. Die primäre Aufgabe von Müllver-brennungsanlagen besteht in der sicheren und umweltgerechten Abfallbehandlung. Der Aspekt der Energieerzeugung aus Abfall gewinnt vor dem Hintergrund der Endlichkeit fossiler Energieträger und der CO2-Problematik zunehmend an Gewicht. Es soll ein Blick auf die Historie der Müllverbrennung, auf heutige Anlagenkonzepte in Deutschland, sowie die spezifischen Erfahrungen und die Evolution der Anlagentechnik bei der BKB AG geworfen werden.

Entwicklungsweg der Abfallverbrennung

Im Laufe der letzten 100 Jahre hat sich die Müllverbrennung bis heute als geeignete Form der Abfallbeseitigung durchgesetzt. Die thermische Behandlung hat wechselnden Rahmenbedingungen widerstanden. Auf neue Herausforderungen, wie z.B. die Anforderungen der 17. BImSchV, wurden technische Antworten gefunden.

Schon in steinzeitlichen Siedlungen wurden große Abfallhaufen aus Knochen, Scherben, Asche und organischen Materialien gefunden, die von Zeit zu Zeit angezündet wurden [15]. In der Bibel wird berichtet, dass bereits zur Zeit der Nachfolger Salomons in Jerusalem das Abfallproblem durch Müllverbrennung gelöst wurde[16]. Spätere Kulturen entsorgten feste oder flüssige Abfälle über Abwasserkanäle[2] [1]. Im Mittelalter wurden Fäkalien und Abfälle wieder einfach auf die Straße geworfen. Zahlreiche Seuchen (darunter Pest und Cholera) waren die Folge. Ab dem 15. Jahrhundert wurde in vielen Städten die Straßenreinigung an Fuhrunternehmen übertragen, die mit Karren bereits eine „Müllabfuhr“ organisierten.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schließlich gewann die öffentliche Hygiene immer mehr an Bedeutung. Die Entdeckung des Tuberkuloseerregers und die Erkenntnis, dass Infektionskrankheiten durch schlechte hygienische Bedingungen hervorgerufen werden, brachten zur Mitte des Jahrhunderts einen weiteren Entwicklungsschub. Die Kanalisation wurde ausgebaut, Abwässer und feste Abfallstoffe wurden getrennt behandelt. Je größer aber die Städte wurden, desto schwieriger wurde es den eingesammelten Müll unterzubringen. Es wurde nach anderen Behandlungsmöglichkeiten gesucht. [3]

1870 und 1874 wurden in Paddington [4] und Nottingham [1] die ersten Abfallverbrennungsanlagen der Welt in Betrieb genommen. Städte wie London und Manchester folgten. Eine weitere Cholera-Epidemie in Deutschland führte 1892 schließlich in Hamburg zum Bau ersten Abfallverbrennungsanlage auf dem europäischen Festland. Am 1. Januar 1896 nahm die Müllverbrennungsanstalt Bullerdeich in Hamburg den Betrieb auf (Abbildung 1).

Die Verbrennungshalle bestand aus zwei Ebenen. Auf der oberen Ofenplattform arbeiteten die ‚Stopfer’. Sie schaufelten den Müll in die Einschüttöffnungen der Zellöfen, nachdem die Ofenarbeiter in der unteren Ebene die Schlacke entfernt hatten (Abbildung 2). Insgesamt 36 Ofenzellen verbrannten den Hausmüll der Stadt[3].

Es folgten schnell Anlagen in verschiedenen deutschen Städten. Der geringe Brennwert des Abfalls führte damals oft zu unvollständigem Ausbrand und Geruchsbelästigungen, so dass das Hauptaugenmerk der technischen Weiterentwicklung zum Ende des 19. Jahrhunderts der Reduzierung der Rauch-, Ruß- und Geruchsbelästigungen, sowie einem besseren Ausbrand galt. Die Verbrennungstemperaturen wurden zunächst auf 700 °C: später auf 800-1100 °C angehoben und das Verbrennungsluftangebot durch Gebläse und höhere Kamine verbessert.

Das Befüllen, Schüren und Entschlacken der Zellöfen früherer Anlagen erfolgte manuell. Es wurde jedoch bald ein mechanisierter Betrieb mit kontinuierlicher Müllaufgabe und Schlackeabzug angestrebt. In den 20er- und 30er-Jahren wurden dann dementsprechend beweglichen Rostsystemen und Schachtöfen entwickelt. Damit einher ging eine Steigerung der Durchsatzleistung von 0,25 t/h auf ca. 6 t/h (moderne Müllverbrennungsanlagen mit Rostfeuerung arbeiten heute mit einem Durchsatz von ca. 3 t/h bis 25 t/h).

In den 50er-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts kam es durch die rapide wachsende Bevölkerung und den wirtschaftlichen Aufschwung zum Bau vieler neuer Anlagen in Europa. Der zunehmende Gebrauch von Kunststoffen im Alltag führte zudem zu einem höheren Heizwert im Hausmüll. Bis in die späten 60er-Jahre stand die Abfallverbrennung zunächst hauptsächlich im Zeichen der Beseitigung von Abfällen gesehen (knapper Deponieraum). Dementsprechend galten technische Neuerungen in erster Linie der Erhöhung des Anlagendurchsatzes. Umweltschutz wurde allenfalls als Randthema wahrgenommen.

Vor dem Hintergrund der Ölkrise 1973/74 und erwachenden Energie- und Ressourcenbewusstsein begann man Anfang der 70er-Jahre mit der Suche nach unkomplizierten Verfahren, die auch bei geringen Durchsatzleistungen kostengünstig arbeiteten, eine bessere Energieausnutzung, sowie Rohstoffrückgewinnung ermöglichten und energetisch nutzbare Produkte erzeugten. Im Mittelpunkt stand die Weiterentwicklung von Pyrolyse- und Vergasungsverfahren die aus anderen Anwendungsgebieten der Verfahrenstechnik bereits bekannt waren. [8] Die mit diesen neuen Verfahren verbundenen Hoffnungen haben sich in Bezug auf Energieausbeute und Verfügbarkeit nur bedingt erfüllt. Vor allem die Zuverlässigkeit solcher Anlagen ließ zunächst zu wünschen übrig, so dass derartige Verfahren bis heute über das Stadium technischer Großversuche nicht hinausgekommen sind [7]. In neuerer Zeit wird auch die aus der chemischen Industrie bekannte Wirbelschichttechnik zur Abfallverbrennung eingesetzt. Diese Technologie wurde zeitweise aufgrund der guten Energieausbeute (hohe Dampfparameter) in Japan bevorzugt, ist aber dort auf dem Rückzug, da für Großanlagen die, im Bezug auf die Abfallaufbereitung, anspruchslose Rosttechnik bevorzugt wird und bei kleineren Anlagen Pyrolyse- und Vergasungsanlagen auf dem Vormarsch sind.

Mit der beginnenden breiten Umweltdiskussion der 70er-Jahre wird die Abfallbeseitigung zu einem politischen Thema. Ein wichtiges Ziel war es, die Schließung der vielen kleinen Müllkippen zu erreichen[16]. Vor diesem Hintergrund wurde dann in den folgenden Jahren die Emissionen aus den Müllverbrennungsanlagen zu reduzieren und so einen Weg zur umweltverträglicheren Müllbeseitigung zu finden. In Deutschland waren seit 1976 mit der TA Luft erste Grenzwerte der Staubemissionen festgelegt worden. [17] In den 80er-Jahren konzentrierte man sich dann verstärkt auf die Emissionen an Schadgasen, vor allem auf die Dioxine und Furane. Die in Deutschland ursprünglich 1991 erlassene und 2003 revidierte 17. BlmSchV führte dazu, dass das Rauchgasreinigungssystem der Anlagen nachträglich um weitere, teure Komponenten zur sicheren Behandlung spezifischer Schadfrachten wie Dioxine, Stickoxide oder Quecksilber erweitert werden musste. Daher besteht die Zielsetzung in neuerer Zeit eher darin, den Aufwand der Abfallverbrennung zu vereinfachen und die Kosten zu senken. Das in den letzten Jahrzehnten gewachsene Wissen um die Klimawirksamkeit der Emissionen und der möglichen Grundwasserkontamination hat dazu geführt, dass unbehandelte Abfälle nicht mehr auf die Deponien verbracht werden sollten und somit der Abfallverbrennung zusätzliche Bedeutung gegeben. In Deutschland wurde diese Zielstellung bereits 1993 in der TA Siedlungsabfall verankert.[18]

Anlagenkonzepte in Deutschland heute
Die heute noch immer meistverbreitete Technologie ist die Verbrennung auf dem Rost. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass der kommunale Abfall ohne Vorbehandlung verarbeitet kann.[19] Je nach Heizwert der einzusetzenden Abfälle kann er luft- oder wassergekühlt ausgeführt werden. Auf dem Markt existieren eine Reihe verschiedener Typen von Vorschubrosten, dazu der Martin-Rückschub- und der Walzenrost. Drehrohröfen mit Nachbrennkammer werden demgegenüber eher für die Verbrennung industrieller und überwachungsbedürftiger Abfälle, nicht aber für kommunalen Abfall eingesetzt. Die Wirbelschichttechnik wird in Deutschland für die Reststoffbehandlung spezieller Stoffströme wie z. B. kontaminiertem Altholz, Bodenaushub oder Papierschlamm eingesetzt. Die Rauchgase werden im Bereich des Abhitzekessels bei neueren Anlagen auf unter 200 °C abgekühlt. In der Regel wie Abwärme zur Strom- und Fernwärmeerzeugung genutzt. [20]

Literatur

    1. Die Bibel 1. Buch der Könige, 15, 13;
    2. U.S. EPA (2005) Milestones in Garbage.
    3. Zwahr H. (1996) 100 Jahre thermische Müllverwertung in Deutschland. VGB Kraftwerkstechnik, 76, 126
    4. de Fodor E. (1911) Elektrizität aus Kehrricht. Budapest: K.U.K. Hofbuchhandlung von Julius Benkö
    5. Danish Board of District Heasting (2005) The Danish District Heating History.
    6. Gilmore D. & Schmidt-Pathman P. (2005) Waste Incineration, Waste-to-Energy, or Thermal Re- cycling™: The Evolution of Waste-to-Energy. WASCON 2005, 27. 09. 2005, Austin, TX
    7. Vehlow J (1998) Waste Management Systems in Industrialized and Developing Countries - Generation, Quality, Disposal. In: Environmental Engineering and Renewable Energy (ed. Ga- vasci, R. & Zandaryaa S.) Elsevier, Amsterdam, NL, 405
    8. Hiraoka M. & Okajima S. (1994) Source Control Technologies in MSW Incineration Plants. Organohalogen Compounds, 19, 275
    9. Buser H.R. (1982) The Seveso accident - an environmental application of mass spectrometry. Trends in Analytical Chemistry, 1, 318
    10. Olie, K., Vermeulen, P.L. & Hutzinger, O. (1977), Chlorodibenzo-p-Dioxins and Chlorodibenzofurans are Trace Components of Fly Ash and Flue Gas of Some Municipal Incinerators in the Netherlands, Chemosphere, 6, 455
    11. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (1990), 17. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen - 17. BImSchV) vom 14. August 2003, Bundesgesetzblatt, Teil 1, 41, 19.8.2003, 1633
    12. European Parliament and Council (2000) Directive 2000/76/EC of the European Parliament and of the Council of 4 December 2000 on the incineration of waste. Official Journal of the Europe- an Communities, 28.12.2000, L332/91
    13. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (1993), Dritte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (TA Siedlungsabfall), Technische Anleitung zur Ver- wertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen vom 14. Mai 1993, Bun- desanzeiger Jahrgang 45, Nr. 99a
    14. European Council (1999) Council Directive 1999/31/EC of 26. April 1999 on the landfill of waste. Official Journal of the European Communities, 16.7.199, L182
    15. Aus einem Stadttor, das noch heute Dungtor heißt, wurde um etwa 1000 vor Christus der Abfall an einen Bach gebracht, wo er in einem ständig unterhaltenen Feuer verbrannt wurde. Die Asche wurde auf den Feldern von Bethlehem verstreut und somit verwertet.
    16. Bekannt ist die römische Cloaka Maxima.
    17. Die Anstalt verbrannte im ersten Jahr mehr als 45.000 Tonnen Müll. Die bei der Verbrennung entstehenden Nebenprodukte wurden bereits damals vermarktet. Die Schlacke diente schon als Belag für Wege und Straßen. Die mit dem Dampf erzeugte Energie wurde bereits für den Eigenbedarf eingesetzt. Zurückbleibende Eisenreste wurden mit Hilfe eines Magneten von der Schlacke getrennt und verkauft. Flugasche wurde als Füllmaterial mit guter Dämmwirkung vermarktet.
    18. 1972 waren ca. 50.000 Müllkippen, 130 geordnete Deponien, 30 Müllverbrennungsanlagen in Betrieb, die schätzungsweise 18 Mio. t Hausmüll bewältigen mussten.
    19. Weitere rechtliche Meilensteine der Abfallbeseitigung in Deutschland sollen der Vollständigkeit wegen erwähnt werden. 1935 wurde in der deutschen Gemeindeordnung der allgemeine Anschluss- und Benutzungszwang für die Müllabfuhr und die Abwasserkanalisation festgelegt. 1972 wurde das Abfallbeseitigungsgesetz verabschiedet, das für Deponien Abdichtung, Deponiegas- und Sickerwassererfassung vorschrieb. Es wurde 1986 novelliert: die Abfallvermeidung wurde erstmals aufgenommen, die Verwertung erhielt Vorrang vor der Deponierung oder Verbrennung. 1991 beschloss die Bundesregierung die Verpackungsverordnung. Als Folge gründeten die Hersteller die Duale System Deutschland GmbH, die Verpackungsmüll mit dem sogenannten 'Grünen Punkt' sammeln und verwerten soll. Fünf Jahre später trat das vom Bundestag beschlossene Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in Kraft. 1993 trat die Technische Anleitung Siedlungsabfall in Kraft, die allerdings erst im Jahr 2005 durch das Inkrafttreten der Abfallablagerungsverordnung im Sinne ihres Inhaltes umgesetzt wurde. Seither ist die Ablagerung unbehandelter Abfälle auf Deponien nicht mehr möglich.
    20. Die Rostfeuerung wird daher im Englischen auch als European Mass Burner bezeichnet.