Win-win-win in Wuppertal - AWG Wuppertal

Energiewende mit dem Müllheizkraftwerk Wuppertal

In Wuppertal ersetzt der Dampf aus dem Müllheizkraftwerk zukünftig den Dampf aus der Kohleverbrennung und liefert zusätzlich die Energie für den Wasserstoff der Brennstoffzellenbusse in der Stadt.

Weniger Abgase, weniger CO2, mehr Energiewende und auch noch ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Die AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Wuppertal wird als Betriebsführer für die EKOCity GmbH künftig den Strom aus dem Müllheizkraftwerk nutzen, um Wasserstoff als Antrieb für zehn neue Brennstoffzellen-Busse der Wuppertaler Stadtwerke zu produzieren. „Das ist auch ein Teil der Neuausrichtung in der Energiewende“, erklärt Conrad Tschersich, Geschäftsführer der AWG und der EKOCity GmbH. Die AWG wird den Dampf aus dem Müllheizkraftwerk (MHKW) zukünftig verstärkt für die Fernwärmeauskopplung nutzen. Mit dem nicht für die Fernwärme benötigten Dampf wird weiterhin Strom erzeugt, mit dem zum Teil Wasserstoff hergestellt wird. Im Sommer 2018 geht in Wuppertal dann auch das letzte Kohlekraftwerk außer Betrieb.

Der Schritt weg von der Steinkohle hin zum Müllheizkraftwerk für die Fernwärmeversorgung sowie die Brennstoffzellen-Busse hat auch viel mit der besonderen Lage der Stadt zu tun: Die meisten Häuser der über 360.000 Einwohner drängen sich an den Hängen des Tals der Wupper. Die Hauptstraßen verlaufen parallel zum Fluss, die Hügel werden an vielen Stellen durch öffentliche Treppen erschlossen – was der Stadt auch den frotzelnden Beinamen „San Francisco von Deutschland“ beigebracht hat.

Korzert_ORTHO.2016-MIN.jpgTallage macht schlechte Luft

Und genau wie San Francisco hat die Stadt durch die Lage im Tal ein Problem mit der Luft: Die Grenzwerte für Stickoxid sind ein ständiges Thema in den lokalen Medien. Die Stadt hat einen 70-Punkte-Plan aufgestellt. Fahrräder und ökologische Antriebe für Autos und LKW sind Teil dieses Plans. Und natürlich die Energieerzeugung: Ein Kohlekraftwerk wurde schon abgeschaltet, das zweite in Elberfeld folgt Mitte 2018. Die entstehende Lücke füllt das Müllheizkraftwerk.

Das alte Kohlekraftwerk mitten im Tal hat nicht nur die Stadt mit Strom, sondern auch viele Industriebetriebe mit Dampf versorgt. „Um den Wegfall auszugleichen, haben wir eine über 3,5 Kilometer lange Dampfleitung vom Standort des MHKW im Stadtteil Cronenberg hin zum vorhandenen Stadtnetz gebaut“, erklärt Willy Görtz, Projektleiter und stellvertretender Betriebsleiter im Müllheizkraftwerk. Das MHKW hat einen Jahresdurchsatz von gut 400.000 Tonnen Abfall und bisher wurden zwei 20 MW-Turbinen zur Stromerzeugung betrieben. Doch durch die niedrigen Strompreise an der Börse um 3 ct/kWh und die eingeschränkte Flexibilität der thermischen Anlage ist das finanziell nicht interessant, heißt es.

Dampf rechnet sich, Strom eher nicht

„Das ist bei Dampf schon anders, der ist knapp und wird gebraucht“, freut sich Görtz. Allerdings steht der Dampf dann nicht mehr in vollem Umfang für die Stromerzeugung zur Verfügung. Darum wurden die beiden 20-MW-Kondensationsturbinen des MHKW um eine Gegendruck-Turbine erweitert, die rund 8 MW leistet. Was tun mit dem Strom?

„Den wollen wir jetzt nutzen um Wasserstoff zu erzeugen, damit die ersten Diesel-Busse in der Stadt durch Brennstoffzellen-Fahrzeuge ersetzt werden können“, so Görtz. Damit betreten die WSW Neuland bei den Bussen: Die ersten Überlegungen für Brennstoffzellen-Busse starteten schon 2016, jedoch hatten die großen, bekannten Busanbieter kein Angebot bei der Ausschreibung 2017 abgegeben. Erst 2018 konnte der Auftrag über zehn Busse an die belgische Firma Van Hool vergeben werden, die parallel 30 solcher Busse an die Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) verkaufen und damit laut eigenen Angaben den „größten Auftrag aller Zeiten für Wasserstoffbusse in Europa“ für sich verbuchen konnte. Die Busse können laut Van Hool mit 38,2 kg Wasserstoff betankt werden und verfügen so über eine Reichweite von rund 350 km.

Genehmigung wie „Chemieanlage“

Eine Elektrolyse-Anlage zur Herstellung des Wasserstoffs sowie eine Betankungsanlage für Wasserstoff müssen angeschafft und ein Ort zur Lagerung muss gefunden werden. Ein guter Standort wäre natürlich der Busbetriebshof in der Stadt. Doch wenn man den Strom vom MHKW dort hingeleitet hätte, wären sämtliche Abgaben auf Strom angefallen, die das deutsche Energierecht vorsieht: Durchleitungsgebühren, Stromsteuern und allein knapp 7 ct/kWh für die EEG-Umlage. Das hätte den Wasserstoffpreis ganz schön in die Höhe getrieben.

Anders bei einem Wasserstoff-Elektrolyseur auf dem Grundstück des MHKW: Da kann der Strom direkt genutzt werden – allerdings müssen die Busse nun zum Tanken zum MHKW kommen. „Das lässt sich aber machen, weil sie dort ohnehin vorbeifahren und alle Straßen auf unserem Gelände geräumig und schwerlastgeeignet sind“, erklärt Görtz.

Eine größere Herausforderung war die Genehmigung der gesamten Wasserstoff-Infrastruktur: Als Produzent von Wasserstoff firmiere man rechtlich als Chemieanlage – und muss sämtliche Arbeiten nicht nur nach Baurecht genehmigen lassen, sondern nach Bundesimmissionsschutzrecht abwickeln. Das macht unter anderem eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit festgesetzten Auslegungszeiträumen nötig. Görtz knapp: „Das sollte man nicht unterschätzen.“

Erweiterung schon geplant

Trotz aller Herausforderungen steht das Projekt „H2-W – Wasserstoffmobilität für Wuppertal“ im Frühling 2018 vor einem guten Abschluss. Die Vergabegespräche für die Wasserstofferzeugung und die Wasserstofftanks sowie den Dispenser (die Zapfsäule) laufen, es wurden Fördermittel für die Anschaffung der Busse und die gesamte H2-Infrastruktur (auch unter Mitwirken der ITAD für energierechtliche Fragen) zugesagt und der Count-Down bis zum Start des ersten Busses läuft: Im April 2019 soll es losgehen.

Darum denken Tschersich und seine Kollegen von den städtischen Verkehrsbetrieben und der AWG schon weiter. „Den gesellschaftlichen Vorteil des Stadtwerkeverbundes durch die Betrachtung eines ganzheitlichen Ansatzes gilt es weiter und intensiver zu nutzen“, erläutert Tschersich. So sollen im nächsten Schritt weitere 10 Busse angeschafft werden, perspektivisch sollen 30 der ca. 300 Busse in Wuppertal auf H2 umgestellt werden.

aus: ITAD-Jahrbuch 2017.

Van Hool_Bus_A330FC_4c_min.jpgFAKTEN

Die AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Wuppertal und die WSW Energie & Wasser AG als Kraftwerksbetreiber und WSW mobil GmbH als ÖPNV-Anbieter gehören anteilig oder vollständig der Stadt Wuppertal. Die EKOCity GmbH ist im Auftrag des EKOCity Abfallwirtschaftsverbandes für die Abfallbehandlung und -beseitigung aus dem Verbandsgebiet zuständig.

Jahresdurchsatz Müllheizkraftwerk: Über 400.000 Tonnen Hausmüll und haushaltsähnliche Abfälle

Letzte Erneuerung: 2014

Dampfabgabe: 100 Tonnen pro Tag Leistung Elektrolyseur: max. 400 kg H2 /Tag

Bustyp: Van Hool A330, 12 Meter lang, FCvelocity-HD85 Brennstoffzell-Modulen der Firma Ballard Power Systems (Kanada), Siemens PEM-Elektromotor, Leistung 210 kW, 35 Sitzplätze plus Fahrer und 39 Stehplätze

Aktuelle Wasserstoffkosten: 9,50 Euro je kg

Verbrauch pro Bus: 38,2 kg Wasserstofftank für rund 350 km (laut VanHool);

Tagesbedarf: rund 25 kg H2