Aktuelle Entsorgungssituation HBCD-haltiger EPS-Abfälle

Die mit dem Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) behandelten Polystyrol (EPS)-Abfälle (z.B. Dämmstoffe aus dem Gebäuderückbau oder bestimmte Verpackungsmaterialien) sollen aus dem Stoffkreislauf ausgeschleust werden und werden deshalb ab dem 01.10. 2016 durch den Verordnungsgeber als gefährlich eingestuft.

„Diese neuen Regelungen stellen uns vor gleich mehrere Herausforderungen“, erläutert ITAD-Geschäftsführer Carsten Spohn. „Auf der einen Seite müssen bei vielen Betreibern von Abfallverbrennungsanlagen rein formal die Abfallschlüsselnummern für die gefährlichen Polystyrol-Abfälle bzw. für entsprechende Gemische erst einmal genehmigt werden. Auf der anderen Seite kommen durch die kurzfristige Anforderung, HBCD-haltige Materialen aus Recyclingkreisläufen fernzuhalten, voraussichtlich deutlich mehr Polystyrol-Monochargen auf die Betreiber der thermischen Abfallbehandlungsanlagen (TAB) zu. Diese Abfälle konnten aufgrund ihrer geringen Dichte in Verbindung mit einem hohen Heizwert schon bisher nur in einem sehr begrenzten Umfang in TAB energetisch verwertet werden. Die aktuelle Situation stellt somit sowohl Abfallerzeuger und Entsorgungsunternehmen als auch unsere Anlagenbetreiber vor einige Schwierigkeiten.“

In NRW können eine Vielzahl von thermischen Abfallbehandlungsanlagen HBCD-haltige Polystyrol-Abfälle bzw. Abfallgemische annehmen, und auch in anderen Bundesländern prüfen Betreiber eine zeitnahe Umsetzung der formalen, technischen und organisatorischen Anforderungen.

Ob diese Anlagen die Abfälle aber aktuell tatsächlich annehmen können, hängt darüber hinaus auch von betrieblichen Randbedingungen ab. Um die sehr leichten und heizwertreichen Polystyrol-Abfälle anzunehmen, muss ausreichend Platz im Bunker sein, um eine notwendige Vermischung zu erreichen. Aufgrund der sehr guten Auslastungssituation der thermischen Abfallbehandlungsanlagen sind die betrieblichen Notwendigkeiten schwer zu erreichen. In vielen Fällen ist daher eine entsprechend sorgfältige Disposition nötig, da aus feuerungstechnischen Gründen nur eine sehr begrenzte Menge von Polystyrol-Abfällen pro Tag mitverbrannt werden kann.

„Alle Beteiligten bzw. Betroffenen sollten sich schnellstmöglich an einen Tisch setzen, um pragmatische, sachgerechte und technisch umsetzbare Lösungen zu entwickeln!“ so Spohn weiter.

Fakt ist, dass ab Oktober vermehrt Monochargen zur Entsorgung anstehen, die aktuell nicht ohne Weiteres vom Entsorgungsmarkt aufgenommen werden können. Mit dem zunehmenden Rückbau von Wärmedämmsystemen wird die Menge steigen.

Daher sind insbesondere die Länder aufgrund bisher fehlender Vollzugsreglungen bzw. -hinweise zur rechtssicheren Entsorgung der betroffenen Polystyrol-Abfälle gefordert.

Dies gilt sowohl für die Genehmigung der entsprechenden Abfallschlüssel (nur Niedersachsen hat bisher für Monochargen ein entsprechendes pragmatisches Vorgehen im Anzeigeverfahren erlassen – entsprechende Abfallschlüsselnummern für Gemische fehlen bisher) als auch für Umgang mit den Abfällen in der Praxis. Hier bedarf es pragmatischer und praxisorientierter Entsorgungshinweise z.B. zur Einstufung von Baumischabfällen, die HBCD-haltige EPS-Abfälle enthalten.

Hintergrund:

Aufgrund der Verordnung zur Umsetzung der novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien vom 11. März 2016 sind ab dem 01.10.2016 alle Abfälle, die die in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über persistente organische Schadstoffe (POP-Verordnung) gelisteten Konzentrationsgrenzen der persistenten organischen Schadstoffe überschreiten, als gefährlich einzustufen:

Auszug
2.2.3 Abfälle, bei denen mindestens eine der in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über persistente organische Schadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 79/117/EWG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 7), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1342/2014 (ABl. L 363 vom 18.12.2014, S. 67) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung genannten Konzentrationsgrenzen für persistente organische Schadstoffe erreicht oder überschritten ist, werden als gefährlich eingestuft.

Der Konzentrationsgrenzwert für die Einstufung eines Abfalls als „gefährlich“ aufgrund des HBCD-Gehaltes liegt bei 1.000 ppm. Damit ist z.B. der Großteil der ca. 40 .000 Tonnen jährlich anfallenden Polystyrol-Abfälle in Deutschland als gefährlicher Abfall zu entsorgen.