Wie viel Wahrheit verträgt die Abfallwirtschaft?

06.04.2014 ITAD fordert die Möglichkeit sachgerechter Ausnahmen von der verpflichtenden flächendeckenden Biogutsammlung.

Mit dieser Frage betrat die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland e. V. (ITAD) bzgl. Bioabfallverwertung auf der IFAT ein durchaus schwieriges Terrain.

Im Kontext der verpflichtend einzuführenden Getrennthaltung von Bioabfällen wurde Dr. Wiegel (ICU) von ITAD beauftragt, den speziell ökologischen Nutzen und Kosten einer flächendeckend neu ein-zuführenden Biotonne einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Die vorgestellte ICU-Studie sichtete hierzu vorliegende Studien von Bund und Ländern zum Thema Biotonne insbesondere hinsichtlich der "biotonnen-positiven" Empfehlungen.

Dr. Wiegel kritisiert, dass vielfach der Nutzen der organischen Abfälle ohne Biotonne nicht vollständig ausgewiesen wird. Für die Hausmüll-Organik besteht dieser Vornutzen in der klimaentlasten-den energetischen Verwertung. Meist werden die den Bewertungen zu Grunde liegenden Optimierungspotenziale ungerechtfertigt zugunsten der Biogutbehandlung eingeschätzt bzw. ungünstigere Aspekte nicht behandelt.

Die Studie widerlegt das Meinungsbild, nach dem mit der zusätzlich eingeführten Biotonne eine „erhebliche Umweltentlastung“ vorgenommen wird - im Bereich Phosphorrückgewinnung liegt diese bei 1 bis 2 % und im Treibhausgasbereich bei bestenfalls 0,2 % der Gesamtemission.

Eine weitere zentrale Thematik der Studie ist der Preis der mit der Biotonne erworbenen Umweltvorteile. Ergebnis: Die Beschaffung von Umweltvorteilen über die Biotonne kostet rd. das Zehnfache gegenüber den verfügbaren Alternativen. Je höher der Anteil an Hausmüllorganik im Biogut liegt, umso ungünstiger fällt dieser Mehrkostenfaktor zu Lasten der Biogutsammlung aus.

Allerdings will ITAD mit den ermittelten Ergebnissen die bestehende Biogutsammlung nicht in Frage stellen, insbesondere weil sie –wenn eingeführt - von den Bürgern i.d.R. gut akzeptiert wird und bestehende Anlagen vorhanden sind.

Die Studie stellt vielmehr ein erweitertes Bewertungssystem für die Prüfung der Biotonneneinführung bzw. Ausweitung der Getrennterfassung zur Verfügung.

„Die Studie soll deutlich machen, dass bei sachgerechter Bewertung vorhandener Entsorgungskonzepte z.B. bei einer Kombination aus MVA und Kompostierungs- oder Vergärungsanlage eine verpflichtende flächendeckende Bioguterfassung inkl. Bau neuer Behandlungskapazitäten nicht zwangsläufig der bessere Weg ist“ sagt ITAD-Geschäftsführer Carsten Spohn und fordert eine sachgerechte Auslegung der Ausnahmemöglichkeiten.

„Bei einer Entscheidung über die Einführung bzw. Erweiterung einer Biotonne sollten alle Randbedingungen zu einer ökologisch und ökonomisch sinnvollen Nutzung von Bioabfällen auf Basis der ICU-Studie miteinbezogen werden.“

Die ICU-Studie ist kostenlos auf der Internetseite der ITAD abrufbar. Eine kommentierende Kritik der Studie durch Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Scheffold (Fachhochschule Bingen) ist der ICU-Studie beige-fügt. Der Critical Review stimmt der Methodik der Betrachtung und den getroffenen Schlussfolgerungen weitestgehend zu.

ITAD vertritt die Interessen der Betreiber und Eigentümer von rund 80 Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland (klassische Siedlungsabfall-Verbrennungsanlagen, Ersatzbrennstoffkraftwerken und Klärschlammverbrennungsanlagen).