Werben um Nachwuchs
Weil sich die Betriebe der thermischen Abfallbehandlung jahrelang über geringe Personalfluktuation freuen konnten, fehlen in der Belegschaft heute oft die mittleren Jahrgänge. Jetzt gilt es, Nachwuchskräfte für die spannenden Jobs zu begeistern.
Grau und kalt ist die Betonwand. 27 Meter hoch baut sie sich vor dem Mann in der Kabine des Kranfahrers auf. Die unbändige Hitze des Feuers dahinter ist nicht einmal zu erahnen. Unten ein Meer aus Abfall, in dem all das schwimmt, was die Restmülltonne so zu bieten hat. Darüber bewegt sich ein mächtiger Kran, dessen Greifer lässig zum Grund hinabfährt. Prall gefüllt taucht er wieder auf, Schwenk nach links. Die Krankralle öffnet sich, die Ladung landet im Trichter.
Auf dem Kranführerstuhl sitzt ein junger Industriemechaniker des Müllheizkraftwerks der AVEA GmbH & Co. KG in Leverkusen. Er ist einer von insgesamt zwölf neuen Kollegen, die aktuell dort ausgebildet werden: zum Industriemechaniker oder Elektroniker oder zur Fachkraft für Abfall- und Kreislaufwirtschaft.
Gerade die Arbeit mit und am schweren Gerät ist es, was die jungen Auszubildenden lockt. Mit leuchtenden Augen erzählen sie, wie sie zuletzt Teile von Kessel III ausgetauscht haben. Jedes Stück wiege so 60 bis 70 Kilo, sagen sie. Da müsse man es schon lieben, anzupacken und auch mal an seine Grenzen zu gehen. Das tun aber scheinbar nicht mehr allzu viele Jugendliche. Die Branche der thermischen Abfallbehandlung plagen Nachwuchssorgen.
Recruiting war bisher kein Thema
Das war nicht immer so. Als mit dem Aufkommen der grünen Bewegung in den Siebziger- und Achtzigerjahren das Wort Recycling in aller Munde war, erlebte die Abfallbranche im Allgemeinen einen großen Zustrom. Mit den wachsenden Müllmengen wuchs auch die Bedeutung der thermischen Abfallbehandlung. Egal ob für Hochschulabsolvierende oder Auszubildende – die Branche bot attraktive und zukunftssichere Jobaussichten.
Eine Vielzahl derer, die in diesen Jahren die Arbeit in einer Müllverbrennungsanlage aufgenommen haben, arbeiten dort auch heute noch. Noch, denn jetzt stehen viele von ihnen kurz vor dem Renteneintritt. Und damit wird ein Problem deutlich: In vielen Betrieben fehlen die unteren Jahrgänge, fehlt der demografische Mittelbau. Die Belegschaft ist überaltert. Der Bedarf an Nachwuchskräften ist groß.
„Seit zirka fünf Jahren ist es für uns wirklich schwierig, Nachwuchs zu finden“, berichtet zum Beispiel Dr. Thomas König, Vorstand der GfA – Gemeinsames Kommunalunternehmen für Abfallwirtschaft aus Olching. Die Nachwuchssorgen träfen die Branche umso härter, weil sie sich jahrelang keine Gedanken um Mitarbeitende habe machen müssen. „Eine Human-Ressource-Abteilung hatten die Unternehmen der Branche nicht nötig“, sagt König.
aus: ITAD-Jahrbuch 2018.