„Abfallverbrennung und Circular Economy ergänzen sich" - Dr. Markus Hiebel

Dr.-Ing. Markus Hiebel vom Fraunhofer-Institut UMSICHT zu Kreislaufwirtschaft und thermischer Verwertung.

Dr.-Ing. Markus Hiebel, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeits- und Ressourcenmanagement am Fraunhofer-Institut UMSICHT über die Rolle der Verbrennung von Abfällen in der Kreislaufwirtschaft, „Cradle to cradle“ und die künftigen Herausforderungen an die thermische Verwertung.

Herr Hiebel, warum braucht man in der Kreislaufwirtschaft noch Müllverbrennung?

Geht es nach der Vision des zirkulären Wirtschaftens und damit dem Kerngedanken des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, gibt es in Zukunft kaum Abfälle. Waren und Stoffe sollen künftig abfall- und emissionsfrei im Kreislauf geführt werden. Dafür sollen Wiederverwendung, Weiternutzung und konsequentes Recycling ausgebaut werden. Doch diese Vision muss auch die heutigen Gegebenheiten im Blick behalten: In Deutschland werden nach wie vor große Anteile des Abfalls, der die Abfallbehandlungsanlagen erreicht, verbrannt. Müllverbrennungsanlagen sind nach wie vor wichtig für die Inertisierung, die Hygienisierung sowie die Konzentrierung von Schadstoffen und zur kontrollierten und gesicherten Ausschleusung aus der Wertschöpfungskette. Bei den behandlungsbedürftigen Siedlungsabfällen in NRW liegt der Anteil der Verbrennung bei fast 97 %.

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Können Sie an einem Beispiel zeigen, warum wir so weit von einer Kreislaufwirtschaft entfernt sind, in der alle Reststoffe zu neuen Stoffen werden?

Wenn wir auf die gesamte Volkwirtschaft schauen, dann verbrennen wir einen Großteil des gesamten Inputs wie Erdöl, Erdgas und Kohle zur Erzeugung von Energie, zum Betrieb von Anlagen oder zur Mobilität. Hier ist keine Zirkularität gegeben. Baustoffe landen zunächst im Infrastruktur- und Gebäudebestand und fließen erst zeitversetzt wieder in die Abfallwirtschaft zurück. Sie werden dann oft nicht gleichwertig genutzt. Um die Produkte und Materialien entlang ihres Lebenswegs zu reparieren, sie später zu sammeln und aufzubereiten, bedarf es erheblicher Anstrengungen, um eine gute Qualität aber auch eine gesicherte Quantität zu erzeugen. Hier stellen sich wirtschaftliche Fragen: Primärkunststoffe können zu geringen Kosten eingekauft werden und bei Regranulaten fehlt es leider oft noch an gesicherten Mengen für die Verarbeiter. Außerdem sind viele Produkte nach wie vor nicht recyclinggerecht konstruiert. Wir haben also noch einen Weg vor uns, um Kreisläufe besser zu schließen.

Was entgegnen Sie Verfechtern des populären „Cradle to Cradle“-Konzeptes, die sämtliche Materialien von problematischen Inhaltsstoffen befreien wollen?

Der Ansatz ist auf jeden Fall richtig. Im Verpackungsdesign bei Kunststoffen oder in der Entwicklung von Elektronikprodukten sehen wir noch große Potenziale. Hier wird die EU mit dem Kreislaufwirtschaftspaket einen Impuls setzen. Gleichzeitig erfüllen aber viele im Recycling störende Stoffe eine Funktion, wie etwa Flammschutz-Zusätze. Trotz enormer Fortschritte in der Erfassung und Behandlung von Abfällen sind wesentliche Anteile der durch den Menschen produzierten Waren nur bedingt stofflich hochwertig zu recyceln oder kreislauffähig. Das anthropogene Lager an nicht recyclingfähigen Produkten ist nach wie vor immens, wächst stetig an und muss sicher entsorgt werden. Die thermische Abfallbehandlung ergänzt stoffliche Recyclingverfahren, die die heute anfallenden Stoffströme an nicht kreislauffähigen Produkten verwerten. Hier muss ergebnisoffen geprüft werden, welcher Entsorgungsweg ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist. Letztendlich können sich die Abfallverbrennung und die Circular Economy ergänzen. Das haben wir in unserer Studie herausgearbeitet.

Beispiel Plastik-Recycling: Etwa die Hälfte der in den Dualen Systemen gesammelten Kunststoffe wird am Ende verbrannt. Wann ist es besser, Kunststoffe zu verbrennen als stofflich wiederzuverwerten?

Das ist pauschal schwer zu sagen. Gut sortierte Kunststofffraktionen werden meist stofflich verwertet, bei Stoffgemischen wird es schwierig. Die Dualen Systeme haben in den Sortieranlagen und in der weiteren Aufbereitung zur stofflichen Verwertung viele Sortierreste und Abfälle, die sich nicht für die stoffliche Nutzung eignen. Das sind etwa Verschmutzungen, Anhaftungen, Fehlwürfe und unzureichende Qualitäten. Stoffe, die bedingt durch ihren Verwendungszweck und eine spezifische Produkteigenschaft eine Schadstoffquelle am Ende des Produktlebenszyklus darstellen können, müssen auch in einer zirkulären Wirtschaft einer Behandlung unterzogen werden. Um eine ungewollte Akkumulation von Schadstoffen in späteren Produkten zu vermeiden, sind thermische Abfallbehandlungsanlagen als Schadstoffsenken unverzichtbar. Diese werden dort energetisch verwertet. Aus Umweltsicht darf der Aufwand der Aufbereitung nicht den Nutzen der Endprodukte übersteigen. Ideal ist eine Kaskadennutzung der stofflichen Verwertung, bis die Kunststoffe dann am Ende ihrer Lebensdauer energetisch oder rohstofflich verwertet werden.

Wo können die MVA-Betreiber besser werden?

Die Betreiber sollten versuchen, möglichst viele Metalle aus den Schlacken zurückzugewinnen und die mineralischen Schlacken hochwertig zu verwerten. Viele ältere thermische Verwertungsanlagen wurden konzipiert, um Abfälle zu inertisieren und im Volumen zu reduzieren. Mittlerweile übernehmen sie aber mit der Produktion von Strom und Wärme eine weitere wichtige Funktion der Daseinsvorsorge. Daher sollten die Anlagen nach Möglichkeit effizienter betrieben werden, um möglichst viel thermische und elektrische Energie als Fernwärme, Prozessdampf oder Strom zu gewinnen. Falls möglich, sollten die Anlagen so gesteuert werden, dass sie mit der Flexibilisierung und Verschiebung von Lasten zur Energiewende beitragen können.

Frühjahr 2018, aus: ITAD-Jahrbuch 2017
Interview: Marcus Franken, Ahnen&Enkel

Thermische Abfallbehandlung als Teil der Circular Economy: Im August 2017 ist die Studie „Zur Rolle der thermischen Abfallbehandlung in der Circular Economy“ des „Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT“ in Oberhausen erschienen. Autoren der Studie sind Dr.-Ing. Markus Hiebel als Projektleiter und Jochen Nühlen und Jürgen Bertling als Mitarbeiter. Erstellt wurde die Studie im Auftrag der AGR Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH in Oberhausen. Die Studie ist im Internet frei verfügbar.