Brüssel macht Klimaziele konkret - CEWEP 2021

Bericht von Dr. Ella Stengler von CEWEP.

Die Europäische Kommission stellte im Juli 2021 ihren Maßnahmenkatalog zur Reduktion von Treibhausgasen vor. CEWEP sieht den Kommissionsvorschlag weitgehend positiv und die Rolle von Waste-to-Energy gestärkt, berichtet Dr. Ella Stengler von CEWEP.

55 Prozent weniger Treibhausgase als im Vergleichsjahr 1990 – das ist das Ziel der EU bis 2030. Mit dem „Fit for 55“-Paket hat die Europäische Kommission im vergangenen Jahr Instrumente für die konkrete Umsetzung vorgestellt. Das Paket umfasst neben ambitionierten Klimazielen auch die Novellierung einiger Gesetze. Insbesondere die Neuerungen im EU-Emissionshandel sowie der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien sind für Waste-to-Energy (WtE) relevant.

Blaue Flaggen im Sonnenuntergang.WtE: Über 50 Prozent Erneuerbare
Die EU will den Anteil regenerativer Energien weiter steigern. Der diesbezügliche Richtlinienvorschlag der Kommission sieht vor, dass der Anteil nicht nur auf 32 Prozent, sondern auf 40 Prozent bis 2030 anwachsen soll. Der biologisch abbaubare Teil von Abfällen aus Industrie und Haushalten ist per Definition Biomasse und somit erneuerbar. Die in WtE-Anlagen erzeugte Energie ist deshalb zu über 50 Prozent regenerativ und trägt auch zum neuen Ziel der EU-Richtlinie maßgeblich bei.

Darüber hinaus sollte der EU-Gesetzgeber die gesamte Abwärme aus WtE-Anlagen als treibhausgasneutral und klimafreundlich einstufen. Hier wird unvermeidbare Abwärme genutzt, die aus der Verbrennung von nicht recycelbaren Abfällen resultiert. Deshalb sollte sie den erneuerbaren Energien systematisch gleichgestellt werden. WtE stellt für energiereiche Abfälle, die nicht recycelt werden können, die nachhaltigste Behandlungsoption dar. Während die Definition von „Abwärme“ in der EURichtlinie für erneuerbare Energien umständlich formuliert ist, nennt die EU-Energieeffizienzrichtlinie, die zur Abwärmenutzung verpflichtet, ausdrücklich die Abfallverbrennung als Abwärmenutzung.

Emissionshandel muss beim Verursacher ansetzen
Die derzeitige EU-Richtlinie zum Emissionshandel lässt die Verbrennung von Siedlungsabfällen (und gefährlichem Abfall) außen vor. Die Kommission behält dies im „Fit for 55“-Paket bei. CEWEP begrüßt diese Entscheidung und appelliert an den Europäischen Gesetzgeber (Rat und Parlament), sich diesbezüglich dem Kommissionsvorschlag anzuschließen.

Durch die Einbeziehung von WtE in den Emissionshandel würde keine Lenkungswirkung erzielt. Das Marktinstrument funktioniert nur, wenn beispielsweise ein Industriebetrieb fossile Brennstoffe einsparen bzw. durch klimafreundliche ersetzen kann. Diese Möglichkeit ist bei der Abfallverbrennung nicht gegeben. Sie erfüllt eine wichtige Aufgabe bei der sicheren Entsorgung nicht recycelbarer Abfälle – auch wenn diese teilweise aus fossilen Materialien (hauptsächlich Plastikabfall) bestehen.

Die Lenkungswirkung liegt dagegen beim Produzenten. Plastikprodukte sollten so hergestellt werden, dass sie recycelbar sind bzw. den Einsatz fossiler Rohstoffe reduzieren. Wenn der nicht recycelfähige Plastikabfall bei der WtE-Anlage angeliefert wird, ist es für eine Bepreisung der Emissionen zu spät. CEWEP tritt deshalb dafür ein, die Getrenntsammlung vor Ort effektiver zu gestalten. So landet möglichst wenig fossiler Input in den WtE-Anlagen und die Basis für hochwertiges Recycling wird geschaffen.

Die Einbeziehung von WtE in den Emissionshandel wäre dagegen nicht verursachergerecht und auch ineffektiv, weil sie kein klimaeffektives Preissignal entwickeln könnte.

Anreize für Deponierung und Umweltkriminalität verhindern
Viele EU-Mitgliedstaaten hängen noch weitgehend von der Deponierung ab. Bei dieser Entsorgungsart entsteht jedoch klimaschädliches Methan. Wenn die Abfallverbrennung durch die Einbeziehung in den Emissionshandel teurer werden würde, hätte das zur Folge, dass Deponien in einigen Mitgliedstaaten, insbesondere dort, wo noch hohe Abhängigkeiten von der Deponierung bestehen, finanziell attraktiver werden – mit negativen Auswirkungen auf das Klima.

Auch die Gefahr vermehrter Umweltkriminalität, die in der Abfallwirtschaft ein ernsthaftes Problem darstellt, muss berücksichtigt werden. Europol warnt vor zunehmender Kriminalität, wenn die geordnete Entsorgung teurer wird.

Folgenabschätzung einer Aufnahme in den Emissionhandel gefordert
Einige Interessengruppen fordern nun, WtE in den Emissionshandel aufzunehmen. Der Berichterstatter im Europäischen Parlament, Dr. Peter Liese (Europäische Volkspartei/CDU) spricht sich für eine Aufnahme von Siedlungsabfallverbrennung ab 2028 aus. Er erkennt aber auch die möglichen negativen Folgen, wie die Anreize zur Deponierung und Abfallexporte in Drittstaaten. Daher fordert er die Europäische Kommission zur Erstellung einer Folgenabschätzung auf. Diese sollte unter dem Aspekt eines integrierten Abfallbewirtschaftungssystems erfolgen, der den Abfallsektor gesamtheitlich betrachtet und kontraproduktive, umweltschädliche Entwicklungen vermeidet. Vorschläge zur Einbeziehung von WtE in den EU-Emissionshandel müssen vom Ergebnis einer solchen Folgenabschätzung abhängig gemacht werden.

Die Tatsache, dass CEWEP den Emissionshandel als ungeeignetes Instrument für WtE ansieht, heißt keinesfalls, dass der Sektor sich nicht intensiv mit Klimaneutralität befasst. Durch Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (z.B. zur Methanolerzeugung für die chemische Industrie) bzw. sichere Lagerung (Carbon Capture and Use/Storage) kann die Branche in ganz Europa nicht nur klimaneutral bleiben, sondern sogar CO₂-negativ werden.

von: Dr. Ella Stengler
aus: ITAD-Jahrbuch 2021.