Fokus auf Umwelt und Klima - CEWEP 2020

Dr. Ella Stengler über die Aktivitäten auf EU-Ebene.

Dr. Ella Stengler, Managing Director des europäischen Waste-to-Energy-Verbandes (CEWEP) über die Aktivitäten auf EU-Ebene und deren Bedeutung für die Zukunft der Abfallwirtschaft.

20 Jahre ITAD_stengler.jpgCOVID-19 hat die europäische Politik 2020 ordentlich durchgewirbelt. Der Europäische Aufbauplan als „größtes Konjunkturpaket aller Zeiten“ soll den Kontinent modernisieren und auch den Umwelt- und Klimaschutz voranbringen. Der europäische Green Deal wird zur wichtigen Säule des wirtschaftlichen Neustarts. Die Kommission versucht nicht nur, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, sondern bringt auch zahlreiche Vorschläge in den Bereichen Umwelt, Energie und Finanzen voran. Eine saubere und kreislauforientierte Wirtschaft ist die Voraussetzung für ein nachhaltiges Europa.

Das Europäische Klimagesetz bildet das Herzstück des Green Deals. Kern des Gesetzes ist Treibhausgasneutralität bis 2050 und eine Minderung um mindestens 55% bis 2030, so der gemeinsame Beschluss der Staats- und Regierungschefs vom Dezember 2020. Konkrete Instrumente zur Umsetzung standen im vergangenen Jahr ebenfalls auf der Tagesordnung, wie z. B. die Vorschläge zur Novellierung der EU-Richtlinie Erneuerbare Energien und der EU-Energieeffizienz-Richtlinie.

Eine Reihe von weiteren Gesetzesvorschlägen und die Novellierungen von Gesetzen aus den Bereichen Umwelt, Energie und Finanzen wurden besprochen, z. B.:

  • Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft 2.0
  • Überprüfung der Abfallverbringungsverordnung
  • Null-Verschmutzung
  • Industrie-Emissions-Richtlinie
  • Neue Industriestrategie für Europa
  • Überarbeitung der Energiesteuer-Richtlinie
  • Taxonomie (nachhaltige Finanzierung)

Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft 2.0

CEWEP hat die Arbeit am neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vom März 2020 intensiv begleitet. Die EU will u.a. das Recycling stärken und das Restabfallaufkommen reduzieren. Enttäuschend ist, dass nicht mehr Ehrgeiz für die Lenkung weiterer Abfallströme weg von Deponien zu erkennen ist. Es wäre eine verpasste Chance, sich bei den verbindlichen Reduzierungszielen weiterhin auf Siedlungsabfall zu konzentrieren, wie schon im Kreislaufwirtschaftspaket 2018 geschehen. Denn der Siedlungsabfall macht nur einen kleinen Teil des gesamten Abfallaufkommens aus. Nötig sind ehrgeizige Ziele für die Vermeidung der Deponierung auch von Industrie- und Gewerbeabfällen, die recycelt oder verwertet werden können. Für den verbleibenden Restabfall müssen sichere Behandlungskapazitäten gewährleistet sein – also vor allem Waste-to-Energy (WtE).

Aktuell ist der Aktionsplan zwar ein wichtiger Schritt, aber ein Grundstein für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft fehlt. Abfallströme, die sich für das Recycling oder die Verwertung eignen, dürfen nicht auf Deponien gelangen. Die europäische Methan-Strategie wird hier zukünftig genauer hinschauen. Es wird auch überlegt, die Deponierung in den Anwendungsbereich der Industrie-Emissions-Richtlinie aufzunehmen. Bislang ist man davon ausgegangen, dass die technischen Kriterien ausreichend in der EU-Deponie-Richtlinie geregelt seien.

Waste-to-Energy trägt zum Klimaschutz bei

Um die Klimaziele zu erreichen, wird die Erweiterung bzw. Ergänzung des EU-Emissionshandelssystems um die Sektoren Gebäude und Verkehr diskutiert. Auch die Einbeziehung von WtE steht zur Diskussion. CEWEP hat sich mehrfach gegen eine Einbeziehung von WtE-Anlagen in den EU-Emissionshandel ausgesprochen. Die thermische Behandlung von Siedlungs- und Sonderabfällen ist aus gutem Grund bisher vom Anwendungsbereich der Emissionshandels-Richtlinie ausgenommen. Anders als andere Industriezweige haben WtE-Anlagen keinen Einfluss auf den CO2-Fußabdruck ihres Inputs. Der nicht recycelbare Plastikabfall, der für fast alle CO2-Emissionen verantwortlich ist, wird als Service zur Behandlung angenommen. Die einzige Alternative für diesen Abfallstrom wäre die Deponie- rung, mit all ihren ökologischen Nachteilen. Eine Erhöhung der Annahmepreise für WtE, den der Emissionshandel mit sich bringen würde, liefert keinen zusätzlichen Lenkungseffekt für den Klimaschutz. Vielmehr ist davon auszugehen, dass einige Mitgliedstaaten aus Kostengründen verstärkt auf (billigere) Deponierung zurückgreifen würden. WtE-Anlagen vermeiden Treibhausgasemissionen aus Deponien, ersetzen fossile Brennstoffe, die anderenfalls zur Energiegewinnung eingesetzt würden und sparen Treibhausgasemissionen durch Metallrecycling aus der Schlacke ein.

EU-Taxonomie: Gut gemeint. Gut gemacht?

Die „Taxonomie“ (Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen) soll festlegen, was ein „grünes“, also nachhaltiges, Investment ist. Zur Konkretisierung werden delegierte Rechtsakte von der Kommission erlassen. Beraten wird sie dabei von einer „Plattform für nachhaltige Finanzierung“. WtE ist derzeit nicht als Taxonomie-konform angesehen. Man ist sogar der Meinung, dass ein signifikanter Anstieg der Verbrennung von nicht gefährlichen Abfällen schädlich für die Kreislaufwirtschaft sei. Dabei wird nicht differenziert, wie viel Verbrennungskapazität regional besteht. Streng genommen würde selbst in Regionen, in denen noch sehr viel deponiert wird, eine neue WtE-Anlage, die die Deponierung ersetzt, als nicht Taxonomie-konform angesehen werden.

Obwohl die Technische Expertengruppe der Kommission in ihrem Abschlussbericht vorgeschlagen hat, die Rolle der energetischen Abfallverwertung zu klären, wurde dies von dem Nachfolgegremium, der „Plattform für nachhaltige Finanzierung“ und der Europäischen Kommission noch nicht aufgegriffen. CEWEP hat ehrgeizige Prüfkriterien für die energetische Abfallverwertung entwickelt und der Plattform vorgeschlagen. Selbstverständlich darf die thermische Behandlung Abfallvermeidung und hochwertiges Recycling, so die Befürchtung, nicht behindern. Um hochwertiges Recycling sicherzustellen, bedarf es eines Abfallwirtschaftsplanes, der die Abfall-Ziele für 2035 mitsamt einer effektiven Getrenntsammlung berücksichtigt. Doch für den Restabfall muss WtE als nachhaltiger Wegbereiter für eine klimaschonende und saubere Kreislaufwirtschaft berücksichtigt wer- den. Als Ergänzung zu Recycling und anderen erneuerbaren Energien spielt WtE eine wichtige Rolle auf dem Weg in ein nachhaltiges Europa. Darüber darf bei Investitionen keine Unsicherheit herrschen. Die Argumente und wissenschaftlichen Grundlagen wurden der Kommission und der Plattform gegen- über kommuniziert. Ob WtE letztendlich in die Taxonomie mit aufgenommen wird, ist eine politische Entscheidung für oder gegen den positiven Nutzen der thermischen Abfallbehandlung. CEWEP ist sich sicher, dass es genug gute Argumente dafür gibt.

von: Dr. Ella Stengler
aus: ITAD-Jahrbuch 2020.