Raumschiff Brüssel - CEWEP 2018

Waste-to-Energy wird heute und in Zukunft gebraucht, ist sich Dr. Ella Stengler sicher.

Strengler Ella.jpgWaste-to-Energy wird heute und in Zukunft gebraucht, wenn wir eine saubere europäische Kreislaufwirtschaft haben wollen, ist sich Dr. Ella Stengler sicher. Die Geschäftsführerin der CEWEP e.V. in Brüssel warnt davor, dass fehlende Verbrennungskapazitäten zu illegaler Entsorgung führen könnten. Die „Confederation of European Waste-to-Energy Plants“ ist der europäische Dachverband der Betreiber von Thermischen Abfallbehandlungsanlagen und repräsentiert rund 400 Anlagen aus 22 Ländern, mit mehr als 80 % der europaweit installierten Kapazität.

In Brüssel stellt man sich allerdings die Frage, ob es im Jahr 2035 bzw. 2040, also dem Zeitpunkt, zu dem gemäß der EU-Kreislaufwirtschaft die Abfallziele erreicht sein sollen, überhaupt noch Restabfälle geben wird. Es besteht bei nicht wenigen Stakeholdern in der europäischen Hauptstadt der Glaube an eine Welt ohne Restabfälle. Wenn der EU-Gesetzgeber nur die richtigen Ziele setzt.

Und wenn da nicht die unbequeme Mathematik und die Realität wären. Maximal 10 Prozent Deponierung und mindestens 65 Prozent Recycling von Siedlungsabfällen sollen bis 2035 in allen Mitgliedstaaten erreicht werden. Das Datum verschiebt sich auf 2040 in solchen Mitgliedstaaten, die 2013 noch stark von der Deponierung abhingen (mehr als 60 Prozent) oder wenig recyceln (weniger als 20 Prozent).

Aber wer wird wohl die 100 Prozent voll machen? Die nicht recycelten Restabfälle bedürfen einer umweltgerechten Behandlung in Waste- to-Energy-Anlagen. Betrachtet man auch die anderen relevanten Abfallströme, die nicht Siedlungsabfälle sind, und setzt vergleichbare Recyclingziele und eine Deckelung für die Deponierung an, so sind die 28 EU-Mitgliedsländer (EU-28) mit mehr als 140 Millionen Tonnen Restabfällen konfrontiert, die umweltgerecht entsorgt werden müssen.

Eine Lücke von mehr als 40 Millionen Tonnen
Waste-to-Energy-Anlagen habe heute in der EU-28 eine Behandlungskapazität von rund 90 Millionen Tonnen. Zusätzlich werden rund 11 Millionen Tonnen mitverbrannt, etwa in Zementwerken. Eine Kapazität von 100 Millionen Tonnen für die Behandlung von Restabfällen kann den Gesamtbedarf (mindestens 140 Millionen Tonnen) aber bei Weitem nicht decken.

Wenn diese Lücke von mindestens 40 Millionen Tonnen im Jahr 2035 respektive 2040 nicht geschlossen wird und kein Wunder in der Abfallvermeidung geschieht (Prognosen gehen eher von einer Zunahme der Abfallproduktion aus; die Weltbank sagt bis 2050 weltweit gar einen Anstieg von 70 Prozent voraus), ist zu befürchten, dass Abfälle in wenig nachhaltige, wenn nicht sogar illegale Wege gelenkt werden. In welche Behandlungsanlagen gehen Siedlungsabfälle, die aktuell etwa nach Bulgarien, Kroatien oder Lettland verbracht werden? Also in Länder, die 64, 78 bzw. 72 Prozent ihrer Siedlungsabfälle deponieren?

Um nicht-nachhaltige Wege der Abfallströme zu vermeiden, muss sowohl in Brüssel als auch in den Mitgliedstaaten eine ehrliche Diskussion um zukünftige Behandlungskapazitäten für Restabfälle, die nicht recycelt werden, geführt werden. Ideologische Ansätze sind angesichts der Realität wenig zielführend.

CEWEP lädt die europäischen Abfallwirtschaftsverbände sowie die Entscheidungsträger in Brüssel zu einem faktenbasierten Dialog über Behandlungskapazitäten für Restabfälle ein. Dabei liegt auch in Richtung Europäischer Kommission ein weiter Weg vor uns. Hier scheint man der Auffassung zuzuneigen, dass das Recycling sich besser entwickeln würde, wenn Waste-to-Energy limitiert wird.

Keine Förderung für Restabfall-Behandlung
So hat die Kommission 2018 bei ihrem Vorschlag zum EU-Kohäsionsfonds für die Periode 2021–2027 deutlich gemacht, dass Behandlungsanlagen für Restabfälle nicht mehr gefördert werden sollen.

Auch im Vorschlag für eine Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (auch Taxonomy genannt) wird – quasi nebenbei – ‚nachhaltiges Wirtschaften‘ definiert. Die Kommission geht davon aus, dass eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und zu Abfallvermeidung und Recycling leistet, wenn sie etwa zur Vermeidung von Abfallverbrennung und -beseitigung beiträgt.

Sie sieht die Umweltziele wesentlich beeinträchtigt durch eine Wirtschaftstätigkeit, die „zu einer deutlichen Zunahme der Erzeugung, Verbrennung oder Beseitigung von Abfall führt“.

Diese Vorschläge sind zwar nicht direkt gegen die Abfallverbrennung gerichtet, sondern gegen die ihnen vorgeschalteten Wirtschaftstätigkeiten, allerdings ist der negative Ton gegenüber der Abfallverbrennung aus Sicht von CEWEP nicht akzeptabel.

Hier wird der – zugegebenermaßen komplexe – Ansatz des Lebenszyklusdenkens ignoriert, welcher der Abfallhierarchie zugrunde liegt und in Artikel 4 der EU-Abfallrahmenrichtlinie niedergelegt ist.

Leider ist es CEWEP, trotz Unterstützung anderer europäischer Verbände, bisher nicht gelungen, die Kommission und das Europäische Parlament davon zu überzeugen, die entsprechenden Passagen dahingehend zu ändern, dass auf die Abfallhierarchie und das ihr immanente Lebenszyklusdenken eingegangen wird.

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CEWEP baut auch auf Deutschland
Hier baut CEWEP auf den Rat und damit die Mitgliedstaaten, inklusive Deutschland, die bei den anstehenden Verhandlungen auf eine sachgerechtere Formulierung drängen sollten.

Ein Grund für die von CEWEP kritisierten Vorschläge der Kommission ist darin zu sehen, dass nicht unterschieden wird, ob der Abfall schadstoffbelastet ist oder aus anderen Gründen nicht recycelt werden kann. Dies sind bedenkliche Entwicklungen, die Realitäten verkennen und zu stark vereinfachen. Es wird Zeit, ohne ideologische Brille den Blick auf Waste-to-Energy zu richten und es als das wahrzunehmen, was es ist: eine Schadstoffsenke, die eine hygienische Funktion im Dienst der Gesellschaft wahrnimmt, indem Schadstoffe sicher und verlässlich ausgeschleust und nicht in die Kreislaufwirtschaft gebracht werden.

Die Arbeiten zur Schnittstelle zwischen Chemikalien-, Produkt- und Abfallrecht, welche die Balance zwischen ‚so viel Recycling wie möglich – aber ohne Schadstoffanreicherung im Wirtschaftskreislauf‘ adressieren sollten, kommen derzeit in Brüssel nicht recht voran.

Positiv:
Metallrecycling aus Schlacke
CEWEP wirkt weiterhin darauf hin, die Öffentlichkeit über die Funktion von Waste-to-Energy aufzuklären. Sie wird 2019 eine Roadmap vorstellen sowie Veranstaltungen in Brüssel durchführen, so etwa ein Event als offizieller Partner der ‚Green Week‘, bei dem die Funktion von Waste-to-Energy als Schadstoffsenke im Vordergrund steht, sowie bei der ‚Sustainable Energy Week‘. Beide Ereignisse werden jedes Jahr von der Europäischen Kommission ausgerichtet.

Positiv ist zu vermerken, dass das Metallrecycling aus der Schlacke ausdrücklich hinzugerechnet wird, wenn es um die Erreichung der Recyclingziele geht. Zusammen mit anderen europäischen (Metall-)Verbänden hat CEWEP an einer Formel zur Berechnung des Metallrecyclings aus der Schlacke gearbeitet und die Europäische Kommission hat die Berechnung weitgehend übernommen.

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von: Dr. Ella Stengler
aus: ITAD-Jahrbuch 2018.