Ein neuer Teil der thermischen Abfallbehandlung

Planungsboom durch die "Klärschlammwende".

Mit der „Klärschlammwende“ hat die Bundesregierung einen regelrechten Planungsboom für Monoverbrennungsanlagen ausgelöst. Viele Betreiber von Thermischen Abfallbehandlungsanlagen wollen die Synergien nutzen, um damit die Kosten der Klärschlammbehandlung zu senken.

Die Rostocker tun es, die Kieler und die Freiburger tun es auch: Von der Küste bis zu den Alpen sind zurzeit bundesweit neue Anlagen geplant, die Klärschlamm verbrennen. „Gerade viele Betreiber von Thermischen Abfallbehandlungsanlagen bringen diese positive Entwicklung mit voran“, sagt ITAD-Geschäftsführer Carsten Spohn.

Ziel der Politik ist es, Phosphor aus dem kommunalen Abwasser zu entfernen und so die Eutrophierung von Gewässern zu mindern, ihn wieder in den landwirtschaftlichen Kreislauf einzufügen und die weltweit knapper und teurer werdenden Phosphat-Ressourcen zu schonen. Des Weiteren werden die Schadstoffe im Klärschlamm (Rückstände von Medikamenten, Schwermetalle, Mikroplastik etc.) nicht in die Ökosysteme verteilt. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die CDU-SPD-Regierung 2013 die „Klärschlammwende“ angekündigt: „Der Schutz der Gewässer vor Nährstoffeinträgen sowie Schadstoffen soll verstärkt (…) werden (…). Wir werden die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurückgewinnen.“

Rechtlich umgesetzt wird diese Forderung mit der Novelle der Klärschlamm-Verordnung 2017. Demnach müssen ab 2029 (bei kleineren Anlagen spätestens bis 2032) „mindestens 50 Prozent des in der Trockenmasse enthaltenen Phosphors aus dem Klärschlamm“ zurückgewonnen werden oder der „Phosphorgehalt auf weniger als 20 Gramm pro Kilogramm Trockenmasse (g/kg TM)“ abgesenkt bzw. „mindestens 80 % des in den Klärschlammverbrennungsaschen enthaltenen Phosphors“ zurückgewonnen werden.

Klärschlamm ist eine Schadstoffsenke, in der sich viele Rückstände aus Haushalten und Industrie sammeln: Nanomaterialien, Mikroplastik, Antibiotikarückstände, Mineralölkohlenwasserstoffe und „diverse Krankheitserreger“ listet das Umweltbundesamt (UBA) auf. Solche organischen Stoffe werden bei der thermischen Behandlung vollständig zerstört. Und laut UBA bieten vor allem thermische Verfahren die Chance, „mehr als 90 % des im Kläranlagenzulauf enthaltenen Phosphors“ wiederzugewinnen.

CC Licens Bild von HansPeter Schröer auf Pixabay sewerage-780582_min.jpg33 + 5 neue Anlagen geplant
Die Ausbringung des unbehandelten Klärschlamms in der Landwirtschaft wird künftig nicht mehr erlaubt sein – außer für Rückstände aus sehr kleinen Kläranlagen. Stattdessen sollen die rund 1,77 Millionen Tonnen Klärschlamm-Trockenmasse aus kommunalen Kläranlagen, die jährlich in Deutschland anfallen, nunmehr überwiegend getrocknet und dann verbrannt werden.

Was das für den Neubau von Anlagen bedeutet, machte im Januar 2019 eine Erhebung von trend:research GmbH in Bremen deutlich: Danach sind bundesweit bereits 23 Monoverbrennungsanlagen mit einer jährlichen Kapazität von 620.000 Tonnen Trockenmasse vorhanden. Zum Zeitpunkt der Studie befinden sich 33 Anlagen mit einer Million Tonnen Kapazität in Planung, weitere fünf Anlagen sind „angedacht“, ihre Planung wurde jedoch noch nicht offiziell bekanntgegeben.

„Die kommenden Betreiber sind überwiegend Unternehmen und Zweckverbände der Abfallwirtschaft sowie die großen Kläranlagenbetreiber“, sagt Manuel Müller, einer der Autoren der trend:research-Studie.

Die Liste der in der Planung aktiven ITAD-Mitglieder ist lang: Die Betreiber von Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Städten wie Bonn und Kiel wie auch die EEW Energy from Waste GmbH mit den Standorten Stapelfeld, Stavenhagen, Helmstedt und Hürth-Knapsack sind dabei – um nur einige zu nennen (siehe Karte).

Damit entwickeln sich die bisherigen Standorte noch weiter zu integrierten Verwertungszentren. „Die thermische Abfallbehandlung der Zukunft beinhaltet auch den Abfallinput Klärschlamm“, sagt ITAD-Geschäftsführer Carsten Spohn. Die Betreiber profitieren von Synergieeffekten zwischen der vorhandenen und der neuen Anlage: Sie verfügen über einen genehmigten Standort und können Strom und Abwärme aus der Verbrennung, die Anlieferungsstrukturen und das geschulte Personal für Betrieb und Instandhaltung nutzen. „Außerdem sind die Anlagen in Kommunen und Landkreisen so gelegen, dass die Aufwände für die Logistik vergleichsweise gering sind“, sagt Spohn.

Darum warnt ITAD auch davor, die Klärschlammverbrennung in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen. Laut einer Meldung des Branchendiensts EUWID vom Dezember 2018 hatten einzelne Anlagenbetreiber eine entsprechende Auskunft des Bundesumweltministeriums (BMU) bekommen; nach der jüngsten Novelle der Abfallrahmenrichtlinie (Fassung von Juni 2018 der Richtlinie 2018/851) sind Klärschlämme keine Siedlungsabfälle mehr – und wären damit formal emissionshandelspflichtig. „Das wäre auch deshalb widersinnig, weil es sich hier überwiegend um organisches Material handelt“, so Spohn. Das BMU hat inzwischen durchblicken lassen, dass der Siedlungsabfallbegriff im Emissionshandelsgesetz abweichend vom Kreislaufwirtschaftsgesetz definiert werden und Klärschlamm als Siedlungsabfall angesehen werden kann. Dann greift die Ausnahmeregelung weiter.

aus: ITAD-Jahrbuch 2018.
dazu auch: Interview mit Rolf Kaufmann.