Teil im Energiewende-Puzzle

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung bis 2050 werden dringend CO2-neutrale und gleichzeitig steuerbare Strom- und Wärmeerzeuger gesucht.

Eine Energy-Brainpool-Studie zeigt die zunehmende Bedeutung der thermischen Abfallbehandlung.

Schon 2017 betrug der Anteil des erneuerbaren Stroms in Deutschland 36% des Bruttoinlandstromverbrauchs. Die im Auftrag der ITAD erstellte Studie „Beitrag thermischer Abfallbehandlungsanlagen zur Energiewende“ der Consultants von Energy Brainpool zeigt, dass die Thermische Abfallbehandlung ein Fünftel desjenigen erneuerbaren Stroms erzeugt, der sich auch nach dem Bedarf am Strommarkt steuern lässt.

Halbwegs buntes DiagrammWürde die Stromerzeugung aus der thermischen Behandlung der biogenen Fraktion im verbrannten Abfall so gefördert wie Strom aus Biomasseanlagen, wäre dabei im Jahr 2015 eine Einspeisevergütung von rund 738 Mio. Euro bezahlt worden. Tatsächlich wird der Strom aus der thermischen Abfallbehandlung jedoch zu Marktpreisen angeboten.

Um die Energiewende im Stromsektor zu ermöglichen, wachsen Windstrom und Solarenergie seit fast zwei Jahrzehnten schneller als alle anderen Erzeugungsarten. Und diese Entwicklung wird sich in Zukunft noch beschleunigen: Im Koalitionsvertrag der Anfang 2018 gebildeten Bunderegierung haben CDU und SPD vereinbart, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65%t im Stromsektor zu erhöhen. Dies wäre fast eine Verdopplung des Anteils binnen nur 12 Jahren.

Gerade in der Balance zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch werden dann aber mehr flexible Anlagen gebraucht. „Flexibilität der Stromeinspeisung wird durch die Energiewende immer stärker nachgefragt. Hier bieten sich Chancen, am Markt teilzunehmen, wenn eine Anlage nicht voll ausgelastet ist bzw. eine ausreichende Sektorkopplung besteht“, heißt es in der Energy-Brainpool-Studie.

Flexible Stromerzeugung und Regelleistung

Schon heute können vor allem größere TAB-Anlagen in einem gewissen Leistungsband Flexibilität bei der Stromeinspeisung bereitstellen, schreiben die Autoren. Rund 25 TAB-Anlagen seien bisher zur Erbringung der Minutenreserve präqualifiziert, rund 10 weitere Anlagen planten dies. Darüber hinaus befinden sich einige Anlagen im Präqualifikationsprozess für Sekundärregelleistung. Regelleistung wird von den Stromnetzbetreibern benötigt, um kurzfristige Unterschiede zwischen Verbrauch und Erzeugung in einen Teil des Stromnetzes auszugleichen. Sekundärregelleistung muss dabei binnen 5 Minuten zur Verfügung gestellt werden. Die Minutenreserve oder Tertiärregelung muss nach 15 Minuten zur Verfügung stehen.

Eine Herausforderung für die Betreiber von thermischen Abfallbehandlungsanlagen mit installierten Turbinen für die Stromerzeugung sind „negative Strompreise“, die in der Energiewelt von morgen immer häufiger werden. „Bei gleichbleibend hoher Anlagenauslastung ist der Spielraum für Flexibilität sehr gering, da der Anlagenbetreiber zur Wahrung der Entsorgungssicherheit unter Vollauslastung kaum Spielraum für eine flexible Stromeinspeisung verbleibt“, beschreiben die Autoren. Die Bedeutung der thermischen Abfallbehandlung für den Strommarkt werde steigen, wenn es gelänge, die Sektorkopplung auszubauen und Hemmnisse abzubauen.

Vier Balkendiagramme in braun-braunSektorkopplung nächster Schritt

„Denn die Betrachtung des Strommarktes ist nur der erste Schritt“, erklärt Martin Treder, Energieexperte der ITAD. „Weitaus relevanter ist die Frage der Wärmeversorgung mit der zukünftig an Bedeutung gewinnenden Sektorkopplung.“

Gerade der anvisierte Anteil erneuerbarer und klimaneutraler Energien am Wärmeverbrauch ist in Fernwärmenetzen nur zusammen mit der thermischen Abfallbehandlung erreichbar, heißt es in der Studie von Energy Brainpool. Hierfür muss – so die Autoren – jedoch der Ausbau und der Erhalt von Fernwärmenetzen erfolgen.

Hier ist es wichtig, dass die Vorteile bei der Wärmenutzung aus TAB nicht durch Gesetzesänderungen verloren gehen. „Der Primärenergiefaktor für die Wärmebewertung aus TAB ist ein zentrales Steuerungsinstrument“, so Martin Treder. „Wir hoffen, dass bei dem Gebäude-Energien-Gesetz und den weiteren anstehenden Novellierungen im Energierecht die Abwärme aus TAB als klimafreundlich maßgeblich berücksichtigt wird.“

Info:

„Die Kreislaufwirtschaft und die Energiewirtschaft haben gemeinsame Ziele: Die Schonung natürlicher Ressourcen und der Schutz von Mensch und Umwelt im Kreislaufwirtschaftsgesetz sowie Effizienz und Umweltverträglichkeit im Energiewirtschaftsgesetz definieren die übergeordneten Ziele der Branchen. Der Thermischen Abfallbehandlung (TAB) kommt eine besondere Rolle zu, da sie die beiden Branchen verknüpft. Dabei bewegt sich die TAB im Spannungsfeld einer input-orientierten Abfallwirtschaft (Wie viele Tonnen Abfall werden entsorgt?) und output-orientierten Energiewirtschaft (Wie viel MWh Wärme und Strom werden produziert?).“ Um dieses Spannungsfeld näher zu untersuchen, hat ITAD Energy Brainpool mit der Studie „Beitrag thermischer Abfallbehandlungsanlagen zur Energiewende“ beauftragt, die im Februar 2017 erschienen ist.

aus: ITAD-Jahrbuch 2017.