Grüner Treibstoff aus dem Schornstein

Klimafreundlich durch Carbon Capture and Utilization.

Durch Carbon Capture and Utilization (CCU) können Thermische Abfallbehandlungsanlagen den Verkehr und die Chemieindustrie klimafreundlicher machen. Erste Projekte zur Abscheidung von CO2 aus gereinigten Verbrennungsgasen sollen schon in diesem Jahr starten.

Schornsteine einer Fabrik vor blauem Himmel.Aus einem Kamin im Thüringer Wald könnte demnächst eine entscheidende Zutat für die Energiewende kommen. Über 20 Millionen Euro möchte der Zweckverband für Abfallwirtschaft Südwestthüringen (ZASt) in seiner Restabfallbehandlungsanlage (RABA) in Zella-Mehlis investieren, um dort mittels Gaswäsche CO 2 aus dem Reingas abzuscheiden und daraus regeneratives Methanol herzustellen. Dieser Alkohol ist nicht nur ein Basisprodukt für die organische Chemie, er lässt sich auch als klimafreundlicher Bestandteil von Kraftstoffen verwenden.

„Wir planen hier eines der innovativsten Projekte der deutschen Abfallwirtschaft“, sagt der Geschäftsleiter der RABA Südwestthüringen, Dieter Weiprecht. Entstan - den ist die Idee in Kooperation mit der Technischen Universität im nahe gelegenen Ilmenau. „Wir haben nach neuen Möglichkeiten gesucht, mit unserem Strom höhere Erlöse zu erzielen“, erklärt Weiprecht. So entstand das Konzept, den Strom aus der RABA für die Herstellung regenerativer Treibstoffe zu verwenden.

Für klimafreundliche synthetische Kraftstoffe bieten thermische Abfallbehandlungsanlagen (TAB) nicht nur klimafreundliche Energie in Form von Strom und Wärme, sondern auch die nötige Kohlenstoffquelle. Weltweit stellt sich bei Verbrennungsprozessen die Frage, wie CO 2 aus dem Abgas abgeschieden und genutzt werden kann. Bekannt ist dieses Prinzip als Carbon Capture and Utilization (CCU). „Methanol hat den Vorteil, dass es dafür schon einen funktionierenden Markt gibt“, erklärt Weiprecht. Dem Branchendienst Methanol Market Services Asia (MMSA) zu - folge betrug das weltweite Marktvolumen für Methanol im Jahr 2018 rund 92 Millionen Tonnen. Bisher wird der Stoff mit der Formel CH 3OH überwiegend aus Erdgas und Erdöl gewonnen, was den Treibhauseffekt weiter befeuert. Der Löwenanteil geht zur weiteren Verarbeitung in die Chemieindustrie. Doch rund 31 Prozent wer - den laut MMSA bereits im Transportsektor eingesetzt – entweder als Beimischung zu Benzin, für die Produktion von Biodiesel oder zur Herstellung des Antiklopfmittels MTBE.

Synthetischer Kraftstoff senkt Emissionen um 79 Prozent

„Wird für die Herstellung des Methanols Strom aus regenerativen Quellen eingesetzt, sinkt der CO2-Fußabdruck gegenüber fossilen Treibstoffen um bis zu 79 Prozent“, erklärt Professor Rudi H. Karpf, geschäftsführender Gesellschafter der ete.a Ingenieurgesellschaft. Wenn in den nächsten Jahrzehnten auch der Verkehr dekarbonisiert wird, könnte der Bedarf an regenerativem Methanol für den Mobilitätssektor spürbar steigen.

Karpf erklärt einen weiteren Vorteil: „Im Gegensatz zur Herstellung von Bioethanol oder Biodiesel werden für die Produktion von regenerativem Methanol in Müllheizkraftwerken keine großen, landwirtschaftlichen Flächen benötigt.“ In Zella-Mehlis will der Zweckverband ZASt pro Jahr 7.000 Tonnen regeneratives Methanol herstellen. Dazu soll Kohlendioxid aus knapp 10 Prozent des Abgasvolumens von insgesamt 125.000 Kubikmeter pro Stunde abgeschieden werden. Durch eine Amin-Wäsche (siehe Kasten) würden pro Stunde 1,5 Tonnen CO2 gewonnen, das jeweils zu einer Tonne Methanol weiterverarbeitet werden soll. „Mit einer Studie haben wir gezeigt, dass unser Konzept am Standort Südwestthüringen technisch und wirtschaftlich machbar ist“, berichtet Weiprecht.

Als weiterer Bestandteil des CH3OH wird Wasserstoff benötigt, der aus einem Elektrolyseur mit einer Leistung von 10 Megawatt (MW) gewonnen wird. Die Planungsgesellschaft bse Engineering Leipzig hat mit BASF für den gesamten Herstellungsprozess standardisierte Module entwickelt, die sich bis auf 100 MW hochskalieren lassen.

Wirtschaftlichkeit hängt von Dekarbonisierungspfaden ab

In Zella-Mehlis hat man sich dazu entschieden, die Methanolanlage so auszulegen, dass der Strombedarf vollständig durch das eigene Müllheizkraftwerk gedeckt werden kann. „Die Eigenversorgung mit regenerativem Strom aus unserer Restabfallbehandlungsanlage spielt auch für die Wirtschaftlichkeit der Methanol-Herstellung eine entscheidende Rolle“, erklärt Weiprecht.

Bei der Thüringer Aufbaubank hat der Zweckverband ZASt außerdem eine Förderung in Höhe von 35 Prozent der Investitionssumme beantragt. „Für unsere Szenarien zur Wirtschaftlichkeit mussten wir den Methanolpreis für die nächsten 20 Jahre prognostizieren. Mit den Fördermitteln möchten sich unsere kommunalen Träger vor allem gegen Risiken bei zukünftigen Preisentwicklungen absichern“, berichtet Weiprecht.

Selbst wenn mit einer höheren Nachfrage nach synthetischen Kraftstoffen für Verbrennungsmotoren gerechnet wird, hängt die Preisentwicklung neben vielen anderen Faktoren auch von der Angebotsseite ab. Falls sich beispielsweise nur ein großes Stahlwerk dazu entschließen sollte, das CO2 aus seinen prozessbedingten Emissionen abzuscheiden, könnte es laut einer Mitteilung von BASF den derzeitigen Kohlenstoffbedarf der gesamten europäischen Methanolproduktion decken.

Viele Lüfter auf einem grauen Gebäude.In Zella-Mehlis soll die finale Investitions­­entscheidung nach Zusage der Landesmittel fallen, sagt Weiprecht. „Wir möchten möglichst noch 2019 mit der Detailplanung beginnen. Innerhalb von drei Jahren könnte die Methanolproduktion dann in Betrieb gehen.“ Windstrom für regenerativen Treibstoff Ein Konzept für eine deutlich größere Anlage zur Methanolherstellung hat Karpf schon 2016 mit Mitsubishi Hitachi Power Systems publiziert. Statt 10 Prozent sollen danach 90 Prozent der gesamten CO2-Emissionen eines Müllheizkraftwerks abgeschieden und jährlich nicht nur 7.000 Tonnen, sondern bis zu 100.000 Tonnen regeneratives Methanol produziert werden. Der Großteil des dafür nötigen Strombedarfs von 975 Gigawatt-Stunden (GWh) müsste aus anderen regenerativen Quellen wie Windenergieanlagen zugekauft werden. Für den Bedarf an Prozesswärme von 101 GWh kommen neben der Dampfproduktion des Heizkraftwerks auch die Abwärme des Elektrolyseurs in Kombination mit einer Hochtemperaturwärmepumpe in Betracht. Je nach Konfiguration unterscheidet sich die CO2-Intensität des Methanols und der Wärme, die viele Abfallverbrennungsanlagen an Industriebetriebe oder Fernwärmekunden liefern.

Kohlendioxid lässt Gewächshauspflanzen schneller wachsen und reinigt Abgas
Zu den Unternehmen, die einen anderen Weg der CO2-Nutzung verfolgen, gehört der niederländische Betreiber AVR. Am Standort Duiven (Niederlande) soll im Sommer 2019 eine Amin-Wäsche in Betrieb gehen, die pro Jahr 60.000 bis 100.000 Tonnen CO2 abscheidet. Das Kohlendioxid soll anschließend verflüssigt und in Gewächshäuser transportiert.

aus: ITAD-Jahrbuch 2018.