„Wasserstoff ist das Erdöl von morgen“

2019 entwickelte sich Wasserstoff zum Superstar der Energiewende.

Während 2019 der Ausbau der Windkraft stagnierte, entwickelte sich Wasserstoff zum Superstar der Energiedebatte. Das Multitalent soll Brücken nicht nur zwischen den Sektoren, sondern auch den politischen Lagern bauen. Das leichteste aller Elemente wird auch für die thermische Abfallbehandlung zunehmend interessant.

Deutschlandkrate, blau, mit potenziellen Wasserstoffleitungen.Bis Ende 2020 soll die erste Testanlage stehen: In Augsburg will man die Energie aus der Abfallverbrennung in Zukunft nicht mehr nur als Strom oder Fernwärme vertreiben. Im Elektrolyseur soll mit ihr Wasserstoff erzeugt werden. „Der Vorteil von Wasserstoff ist, dass er sehr vielfältig eingesetzt werden kann“, erklärt Hansjürgen Krist, Umweltingenieur bei der Abfallverwertung Augsburg (AVA). Wasserstoff kann Nutzfahrzeuge antreiben, wird in der chemischen Industrie benötigt oder in großen Mengen bei der Herstellung von Stahl. Die Nachfrage nach Wasserstoff wächst.

Ein weiterer Vorteil: „Durch die Wasserstoffproduktion gewinnen wir Flexibilität“, erklärt Krist. Ist die Nachfrage für Strom niedrig, gehen die Kapazitäten in die Erzeugung von Wasserstoff. Zu Stoßzeiten, wenn der Strom gebraucht wird, kann der Elektrolyseur heruntergefahren und mehr Strom in die öffentlichen Netze eingespeist werden.

Wasserstoff: Das Superelement für die Energiewende

Das flüchtige Gas hat sich im vergangenen Jahr zu einem echten Schwergewicht in der Energiedebatte entwickelt. „Wasserstoff ist das Öl von morgen“, erklärte etwa Forschungsministerin Anja Karliczek gegenüber dem Magazin Der Spiegel. Durch die vom Bund geförderten Reallabore soll der Wasserstoff aus der Nische und in die industrielle Produktion gehoben werden, die nationale Wasserstoffstrategie erklärt ihn als unverzichtbar für die Energiewende. Deutschland soll beim Wasserstoff zu einem globalen Vorreiter werden.

Unter dem Namen GET H2 haben sich daher im April 2019 Unternehmen, Verbände, Forschungseinrichtungen und auch Kommunen zusammengeschlossen, um den Aufbau einer bundesweiten Wasserstoffinfrastruktur zu unterstützen (s. Interview). Die Initiative zählt heute über 30 Partner, darunter Branchengrößen wie Siemens, RWE, Nowega oder BASF. Das Ziel: Aus ersten Keimzellen der Wasserstoffwirtschaft soll ein bundesweites Netz entstehen. Für ihr virtuelles Wasserstoffnetz (s. Grafik) haben die Initiatoren von GET H2 zunächst einmal die relevantesten Standorte – Hüttenwerke, Raffinerien, Chemieparks – miteinander verbunden. Das Ergebnis ist ein 3.200 Kilometer langes Leitungsnetz, für das im Wesentlichen bestehende Gasleitungen auf den Wasserstoffbetrieb umgestellt und nur wenige Leitungen ganz neu verlegt werden müssten.

GET H2: TAB an das WasserstoffNetz anschließen

ITAD hat sich der Initiative GET H2 im Oktober 2019 angeschlossen. „Wasserstoff wird auch für die TAB zu einem wichtigen Thema,“ sagt Martin Treder von der ITAD. „Denn durch die Einspeisung und Entnahme von Wasserstoff aus dem Netz steigen die strategischen Optionen der Anlagenbetreiber. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien steigt auch der Anteil an fluktuierendem Strom und die Stunden mit negativen Strompreisen nehmen zu. In diesem Zeitraum können wir dann sehr kostengünstig Wasserstoff produzieren und gleichzeitig als Systemdienstleister fungieren.“ Legt man den visionären Gasleitungsplan, mittlerweile vom Verband Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB) weiterentwickelt, auf eine Karte mit den Standorten der TAB, dann zeigt sich, dass sich bereits jetzt auch ohne gravierende Eingriffe in den Netzplan etliche Anknüpfungspunkte ergeben

„Müll macht mobil“: In Wuppertal rollen die ersten Wasserstoff-Busse

Auch ohne Wasserstoffnetz gibt es schon heute regionale Abnehmer für Wasserstoff. In Augsburg könnten zum Beispiel Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellen ausgerüstet und Wasserstoff angetrieben werden, aber auch industrielle Partner gibt es in der Region. Durch die Nähe zur A8 zwischen Stuttgart und München wäre auch eine Anbindung an das Tankstellennetz für Wasserstoff möglich.

Seine Erfahrungen tauscht Hansjürgen Krist mit den Kollegen in Wuppertal aus. Dort wird schon jetzt Wasserstoff aus der Müllverbrennung erzeugt. Seit Mitte 2020 werden direkt vor Ort Linienbusse der Stadtwerke betankt, die mit Wasserstoff angetrieben werden. Noch in diesem Jahr sollen zehn Brennstoffzellenbusse und ein Abfallsammelfahrzeug durch Wuppertal rollen. Die nächsten zehn Brennstoffzellenbusse sind bereits bestellt.

Wasserstoff: Eine Farbenlehre

Die Klimabilanz von Wasserstoff entscheidet sich bei seiner Herstellung. Bisher wird Wasserstoff hauptsächlich aus Erdgas oder Kohle hergestellt, dabei gelangen große Mengen CO2 in die Atmosphäre (grauer Wasserstoff). Wird Wasserstoff zukünftig aus Erdgas hergestellt (die Niederlande beispielsweise investieren massiv in diese Technologie) und das CO2 abgeschieden und unterirdisch eingelagert (Carbon Capture and Storage – CCS), spricht man von blauem Wasserstoff. Wird Wasserstoff klimafreundlich gewonnen, ist er in der politischen Farbenlehre grün. „Türkiser Wasserstoff“, das „jüngste Produkt“, wird mittels Pyrolyse aus Erdgas hergestellt, wobei eine dauerhafter Lagerung oder Bindung des Kohlenstoffs erfolgen soll. Strittig ist, welcher Wasserstoff in der deutschen Wasserstoffstrategie zunächst eine Rolle spielen soll.

aus: ITAD-Jahrbuch 2019.

Mehrere weiße Tanks